«Das ist absurd!

Blick: Sébastien N. will nichts von einem «Werwolf-Terrorkommando» wissen. Vor Gericht kommt er trotzdem. Wegen einer Schiesserei.

Von

Sein Brief kommt aus dem Knast und ist datiert vom 5. Julmond 7212 (5. Dezember 2013). Sébastien N.* (26) orientiert sich am altgermanischen Kalender. Er ist ein Neonazi. Im Mai 2012 soll er im Zürcher Niederdorf aus 60 bis 80 Zentimeter Entfernung einem Kontrahenten in die Brust geschossen haben. Nun wartet er im Knast auf den Prozess wegen versuchter vorsätzlicher Tötung.

Sébastien N. hat noch mehr Ärger. Die deutsche Bundesanwaltschaft verdächtigt ihn, eine internationale Neonazi-Terrorzelle gegründet zu haben. Ein «Werwolf-Kommando», in Anlehnung an die Nazi-Guerilla-Zellen gegen Kriegsende. Ziel: das politische System mit Bomben beseitigen. Sébastien N. soll ihr Anführer sein. Die deutsche Bundesanwaltschaft veranlasste im Juli Hausdurchsuchungen auch in der Schweiz und in Holland (BLICK berichtete).

Per Brief nimmt Sébastien N. nun erstmals Stellung zu diesen «absurden Werwolf-Kommando-Bezichtigungen», wie er sie nennt: «Es wurde spekuliert, ich würde wohl aus meiner Gefängniszelle ein internationales Terrornetzwerk führen und leiten. Wie das gehen soll, ist mir gänzlich unergründlich.» Seine Zelle im Gefängnis von Meilen ZH sei am 17. Juli 2013 durchsucht worden. «Es wurden selbstverständlich weder Waffen noch Munition, Sprengstoff oder finanzielle Mittel für die Vorbereitung eines Anschlags gefunden», schreibt N. Man habe ihm nichts anlasten können, «keinen Beweis darlegen, der auf irgendeine Art und Weise diese grotesken, hypothetischen Bezichtigungen plausibel macht».

In der Tat deutet einiges darauf hin, dass die Razzia im Auftrag der deutschen Bundesanwaltschaft bei N. und seinen ehemaligen Weggefährten ein Schlag ins Wasser war. In der Schweiz durchsuchte die Polizei im Juli das Haus eines Informatikers und Tanzlehrers (55) aus Baden AG, bei dem N. ein Praktikum absolviert hatte, sowie die Zelle eines Hochstaplers (41), den Sébastien N. aus dem Knast kannte. Die Ermittler filzten sogar dessen Playstation-Speicherkarte. Doch mit Nazi-Gedankengut oder gar Terrorplänen scheinen beide nichts am Hut zu haben.

N. vermutet eine persönliche Abrechnung: «Die deutsche Bundesanwaltschaft beruft sich auf einen Zeugen, den sie anonym hält. Dazu ist mir persönlich vollumfänglich bekannt, um welches Individuum es sich handelt und welche Absicht dieses Individuum wirklich verfolgt.»

Eine Abrechnung im Neonazi-Milieu? N. behauptet, er habe seit 2007 nichts mehr «mit der Subkultur zu tun, die sie rechte Szene nennen. Meine Interessen sind seit Jahren ganz anderer Natur». Aber: Noch 2012 sagte er vor dem Solothurner Obergericht: «Ich bin Nationalsozialist. Und ich werde es immer bleiben.»

Im Frühling wird N. in Zürich wegen der Schüsse im Niederdorf vor Gericht gestellt. Er schreibt: «Leider darf ich mich zu den Vorwürfen stets noch nicht äussern.» Er werde aber «ganz klar zu meinen Missetaten stehen, die ich begangen habe».

* Name der Redaktion bekannt