Das braune Umfeld des Belper S.

BernerZeitung

Die Geschichte, die die Reitschule Zeitung «Megafon» in die Öffentlichkeit trug, liess aufhorchen. S., Mitglied der FDP in Belp, Leutnant in der Armee und Mitarbeiter der Treuhänderin Atag Ernst & Young in Bern, habe sich im Internet «frisch als Neo-Nazi» geoutet, meldete das Blatt im April. Und erklärte: Im Gästebuch der deutschen «InterNet Waffen SS» sei – bei einer Gratulation zur gelungenen Homepage – eine E-mail-Adresse aufgetaucht, die sich unschwer als jene von S. aus Belp identifizieren lasse.
Auch wenn die Atag Ernst & Young den Beweis nicht liefern konnte, dass S. Gratulation und E-mail-Adresse eigenhändig bei der «Inter Net Waffen SS» deponiert hatte: S. musste kündigen. Zumal zuvor bei internen Kontrollen festgestellt worden war, dass S. rechtsextreme Internet-Seiten besuchte. Zumal ein Atag-Mitarbeiter S. im Gespräch gestanden hatte, bei einer Reise zu einem Neo-Nazi-Treffen in Passau dabeigewesen zu sein.
Was bisher unbekannt war: Schon 1996 war im Umfeld von S. plötzlich das Nazi-Blatt «Völkischer Beobachter» aufgetaucht. Zwar will die Krankenkasse Helsana, die damals noch als Artisana Arbeitgeberin von S. war, den Vorfall weder bestätigen noch dementieren.
Die BZ weiss aber, dass man sich intern einig war, dass das Blatt von S. stammte. Obwohl auch da der letzte Beweis nicht zu erbringen war.
Derweil sieht sich S., der gestern nicht zu erreichen war, als Opfer von Komplotten. Seine E-mail-Adresse sei missbraucht worden, und in Passau habe er nur ein Rockkonzert besuchen wollen, beschied er der Atag. Seinen Parteikollegen in Belp und auch dem «Bund» erklärte er: «Ich bestreite, ein Neo-Nazi zu sein.» skk


Rychiger ortet kein Nazi-Problem

«Ein klarer Einzelfall», sagt FDP-Präsident Peter Rychiger. Leute wie S., der nach Kontakten zur rechtsradikalen Szene Arbeitsstelle und FDP-Mitgliedschaft aufgeben musste, seien in seiner Partei selten.

Der Fall von S. aus Belp, der nach Kontakten zur rechtsextremen Szene den Arbeitsplatz räumen und aus der FDP austreten musste, hat Aufsehen erregt. «Ein Einzelfall», sagt FDP-Präsident Peter Rychiger.

Interview: Stephan Künzi

BZ: Peter Rychiger, kennen Sie Herrn S. aus Belp?

Peter Rychiger: Nein. Ich kann als Präsident nicht alle Parteimitglieder kennen.

Mit S. haben Sie ein Problem. Wegen rechtsextremer Kontakte hat FDP-Mitglied S. seine Stelle aufgeben müssen.

Mir ist wichtig zu wissen, dass sich S. gleichzeitig auch von der FDP getrennt hat.

Sie werden aber nicht abstreiten, dass einer, der Kontakte zur rechtsextremen Szene hat, den Ruf der FDP schädigt.

Wenn jemand zu unserer Partei stösst, können und wollen wir ihn nicht ideologisch durchleuchten. Wir gehen vielmehr davon aus, dass jeder, der sich für die FDP interessiert, unser Programm einigermassen kennt und weiss, wo wir stehen. Wenn dann jemand wie S. einmal in der FDP mitmacht, ist das unserem Ruf sicher nicht förderlich.

Die FDP Belp war seinerzeit froh, dass ein junger Mann wie S. in ihren Reihen mitmachen wollte. Denn sie hatte Nachwuchsprobleme

Ohne die Details im Fall von S. zu kennen: In jeder Partei sind neue Leute grundsätzlich zuerst einmal willkommen.

Kann das Argument, «wir haben ja sonst niemanden», Entschuldigung sein, wenn ein lokaler Parteivorstand auf dem rechten Auge blind ist? Sogar Leuten der FDP Belp ist im Rückblick plötzlich die typische Kurhaarfrisur von S. aufgefallen.

Da muss ich intervenieren. Wenn man jemanden rein aufgrund seines Äussern beurteilt, macht man gewaltige Fehlurteile. Zugegeben, es kann schon sein, dass jemand mit seiner Frisur kennzeichnet, was er ist. Aber es gibt auch die anderen, die sich zwar ein bestimmtes Outfit geben, gesinnungsmässig aber sehr wohl zur FDP passen. Das sage ich auch jenen Leuten, die meinen, jemand mit langen Haaren gehöre nicht zu uns.

Die Kurzhaarfrisur ist nicht das einzige. Bei einem vorderen Arbeitgeber tauchte schon 1996 eine Nazi-Postille auf, die mit S. in Zusammenhang gebracht wurde.

Wenn einer rechtsradikale Gedanken publiziert, wenn einer sich an einer Parteiversammlung entsprechend äussert, dann horchen wir klar auf. Wenn aber wie hier etwas am Arbeitsplatz passiert, ist das für uns schwierig zu erfassen. Besonders in einer Schlafgemeinde wie Belp, in der man sich nicht mehr so nahe ist wie in einem kleineren Dorf. Kommt dazu, dass ich nicht weiss, wie stark S. in der Belper FDP integriert war…

Immerhin sass er hier im Vorstand. Und er kandidierte just 1996 auch für den Gemeinderat. Man könnte doch annehmen, dass zumindest ein Gemeinderatskandidat etwas genauer unter die Lupe genommen wird.

Wie gesagt, wir durchleuchten unsere Leute nicht systematisch. Auf der anderen Seite gehe ich davon aus, dass ein Parteivorstand, der einen Kandidaten für Gemeindewahlen vorschlägt, diesen auch einigermassenkennt.

Was in Belp nicht der Fall war.

Wobei man der Gerechtigkeit halber fragen muss: Hat S. seine Gesinnung zu der Zeit offen ausgelebt? Im Nachhinein ist man immer dreimal schlauer.

Trotzdem. Die FDP hat offenbar kein grosses Sensorium für Leute am rechten politischen Rand entwickelt.

Soweit ich weiss, ist S. das erste FDP-Mitglied, das in einen Zusammenhang mit rechtsradikalem Gedankengut gebracht wird.
Sicher, wir hatten schon andere Problemfälle, Fälle, die uns weit mehr Kopfzerbrechen bereiteten. wenn einer zum Beispiel an der Grenze zur Legalität geschäftet und dafür eine Entschuldigung bereit hat, ist es für uns nicht einfach, über seine weitere Zugehörigkeit zur FDP zu diskutieren. Im Fall von S. aus Belp dagegen sagen wir klar: Wer mit Rechtsradilaen sympathisiert, passt nicht zu uns.

Werden Sie nach dem Vorfall in Belp eine Strategie entwickeln, um Rechtsradikale von Ihrer Partei fernzuhalten?

Ich glaube nicht, dass wir unseren örtlichen Parteien künftig sagen: «Schaut Eure Mitglieder besonders gut an!» Damit würden wir nur Misstrauen säen. Rechtsextremismus ist bei uns, das schliesse ich auch aus den Voten an unseren Parteiversammlungen, kein Problem. Der Vorfall in Belp ist wirklich ein Einzelfall.