Blick. Russische Neonazis, die für die Ukraine und gegen Russland kämpfen: Warum das so ist und in welcher Verbindung der Anführer zur Schweiz steht.
Aufregung im russischen Grenzgebiet. Am Donnerstag kam es zu Angriffen in der südwestlichen Oblast Brjansk. Für Kreml-Chef Wladimir Putin (70) ein «Terroranschlag der Ukraine», für Selenski-Berater Mychajlo Podoljak (51) das Werk russischer Partisanen. Zu den Angriffen haben sich «Vertreter des russischen Freiwilligenkorps» bekannt, wie Videos auf Telegram und Twitter zeigen.
Bei dieser Gruppe ganz vorne mit dabei: einer der bekanntesten Neonazis Deutschlands, Denis Nikitin (38, geb. Kasputin), der als Kind von Russland nach Deutschland zog und als Flüchtling in Köln lebte. Er selbst gründete im August 2022 das Freiwilligenkorps – um nach eigenen Aussagen gegen Putin zu kämpfen.
Russischer Neonazi hat Kontakte in die Schweiz
Nikitin ist auch in der Schweiz kein Unbekannter. Spätestens seit 2017 unterhält der Neonazi Verbindungen zum ehemaligen Präsidenten der rechtsextremistischen Partei National Orientierter Schweizer (Pnos), Florian Gerber. Dieser soll für Nikitin die Geschäfte seiner Kleiderfirma White Rex in der Schweiz abgehandelt haben, wie «Spiegel» berichtete.
Zudem hatte der Russe für die Pnos mehrfach Selbstverteidigungskurse angeboten, bevor er 2019 ein zehnjähriges Einreiseverbot für den Schengen-Raum erhielt. Seither und seit der Auflösung der Pnos im Jahr 2022 ist unklar, ob Nikitin noch Kontakte in die Schweiz hat.
«Befreiung von Putins Diktatur»
In wessen Auftrag das Korps tatsächlich arbeitet, ist nicht klar. Nikitin behauptet, vom ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski (45) eine Autorisierung bekommen zu haben. In einem Interview, welches er im Herbst 2022 gab, erklärte Nikitin, dass Selenski es selbst abgesegnet habe, das Freiwilligenkorps in das ukrainische Militär zu integrieren.
Das wird von ukrainischer Seite allerdings bis heute nicht bestätigt. Der ukrainische Militärgeheimdienst bezeichnete unterdessen die Berichte über die Zusammenstösse in der Region Brjansk als «Fortsetzung der Transformation Russlands, seiner Reinigung und Befreiung von Putins Diktatur», so die ukrainische Nachrichtenagentur Hromadske.
Kacper Rekawek, tätig an der Universität Oslo, forscht seit Jahren zu Rechtsextremismus und ausländischen Kämpfern in der Ukraine. Zu Blick meint er: «Das war ganz bestimmt keine Operation unter falscher Flagge von russischer Seite.»
Doch warum kämpfen russische Rechtsextremisten überhaupt gegen Putin? Der Grund ist simpel: «In den 2010er-Jahren begann der Kreml damit, die rechtsextremistische Gewalt im eigenen Land unter Kontrolle zu bekommen», erklärt Rekawek. Zahlen aus einer Studie der Universität Leiden zeigen: Russland hat fünfmal mehr Gewalt durch rechtsextreme Militante erlebt als die USA und fast viermal mehr als Deutschland. «Eine Gefahr für den Kreml.»
Das Ergebnis: Einige dieser Nationalisten flüchteten nach Belarus oder in die Ukraine – wo sie nun gegen Putin kämpfen. Nikitin im Interview: «Russland ist eine politische Nation. Doch wir, wir sind Russen. In meiner Heimat versucht man, alles zu vermischen.»
Rekawek erklärt Nikitins Gedanken: «So wie Russland aktuell geführt wird, ist es eine Beleidigung für diese Leute. Ein Land, das Migration fördert, kleptokratisch regiert wird und, in den Augen dieser Extremisten, asiatischstämmige Soldaten in die Ukraine schickt, um gegen weisse Europäer zu kämpfen.»