Rechtsextremismus Der Saubannerzug der Neonazis Langenthal aufgeschreckt. In einer Stärke von30 Mann zogen Neonazis durch Langenthal, zerstörten dasLakuz und griffen eine türkische Familie an (siehegestrige Ausgabe). Die Gewalt von rechts beherrscht die öffentliche Diskussion in Langenthal.Gemeinderat Werner Meyer betont, man werde hart gegen die Schuldigen vorgehen.
Pascal Dietrich
Der Saubannerzug einer Horde Skinheads durch Oberaargauer Zentrum hat Langenthal national in Schlagzeilen gebracht. Die Gewalt von rechtswar gestern ein wichtiges Diskussionsthema der Bevölkerung.Nach den Auseinandersetzungen Ende der 80er-Jahre,welche Langenthal in der ganzen Schweiz einenzweifelhaften Ruf eintrugen, war es ruhig geworden um die Oberaargauer Skinhead-Szene. Seit etwa fünfJahren ist allerdings erneut eine Zunahme zu beobachten,die am vergangenen Wochenende ihren vorläufigenHöhepunkt erreichte. Das bandenmässige und offensichtlich organisierte Vorgehen der rund 30 Mann starken Randalierer-Truppe stellt für Langenthal eineDimension dar, die seit der Skinhead-Welle vor zehnJahren nicht mehr erreicht worden war.
Werner Meyer, Langenthaler Gemeinderat undzuständig für das Ressort öffentliche Sicherheit, sprichtdenn auch von einem schlimmen Ereignis, nach dem mannicht zur Tagesordnung übergehen könne. Die polizeilichen Ermittlungen seien im Gang, der Gemeinderatwerde die Strafanzeige der Stadt am Mittwoch offiziellbeschliessen. «Die Aufklärung dieser Vorfälle ist einöffentliches Interesse, wir werden die juristischen Mittel ausschöpfen», so Meyer. Sieben Personen seien namentlich bekannt, es werde sich erst durch Ermittlungen herausstellen, welcheStraftatbestände erfüllt seien. Die Punkte Sachbeschädigung undleichte Körperverletzung dürften auf der Hand liegen.«Ich bin allerdings der Meinung, dass es sich auch um Landfriedensbruch handelt, dies wäre einOffizialdelikt und würde als Anklagepunkt doch ein schwereresKaliber darstellen», betont Meyer.
«Sonderbewachung wäre falsch»
Der Gemeinderat werde sich Gedanken machen, wie solchen Auswüchsen in Zukunft begegnet werdenkönne. Man wisse, dass das Kulturzentrum Lakuz ein bevorzugtes Ziel rechter Gewalt sei. «Trotzdemhaben wir nicht die personellen Mittel, um eineSonderbewachung für das Lakuz zu organisieren, das wäre auchnicht der richtige Weg», hält Meyer fest. Die Polizeibefinde sich auf einer Gratwanderung zwischen den knappen Verfügung stehenden Mitteln und einer wirksamen Überwachung. «Ich bin aber überzeugt, dasssowohl Stadt- als auch Kantonspolizei in derbetreffenden Nacht gute Arbeit geleistet haben.» Die Kapo habe ein Grossaufgebot nach Langenthal geschickt. Dassin den vergangenen Jahren im Oberaargau Kantonspolizeiposten aufgehoben wurden (so beispielsweise diejenigen in Lotzwil undKleindietwil), habe auf die Stärke der Polizei keinenEinfluss. «Bei den Streifenwagen der Kapo handelt es sich um dieMobile Polizei, und in diesem Bereich hat es in denletzten Jahren keinen Abbau gegeben», versichert der Langenthaler Gemeinderat.
Eine Möglichkeit sei, das ThemaRechtsextremismus in der bestehenden Arbeitsgruppe Vandalismus/Jugendalkoholismus neu aufzunehmen, sagte Werner Meyer. Mit einer Arbeitsgruppekönne man zwar Prävention betreiben, die konkretenAuswüchse wie am vergangenen Wochenende aber nicht direkt bekämpfen. «In solchen Fällen hilft eben nur Repression durch die Polizei», hält er klarfest.
«Offensiv zum Problem stehen»
Rechtsradikale Bevölkerung muss reagieren
Daniel Haller
«Wenn so etwas wie nun in Langenthal passiert,ist die erste Reaktion immer der Ruf nach der Polizeiund der Politik», stellt die Burgdorfer GemeinderätinElisabeth Zäch fest. «Dabei darf man aber nicht stehenbleiben, denn das Problem der Rechtsradikalen geht allean.»
Für Elisabeth Zäch, die nach denSkin-Übergriffen an der Solätte 2000 die Aktion Courage mit initiierte,ist die Haltung der Bevölkerung entscheidend: «Wirmüssen hinstehen und klarmachen:
Nachdem die Aktion Courage in Burgdorf nun abgeschlossen ist, habe sich ein Kreisinteressierter Personen zwecks kontinuierlicher Weiterarbeit zusammengefunden. Unter anderem verfolge man Projekt, dass Burgdorf sich am «gggfon»beteilige.
Ins Leben gerufen wurde gggfon – «Gemeinsamgegen Gewalt und Rassismus» – von der Gemeinde Münchenbuchsee als Reaktion auf die dortigen Skinheadprobleme. Seit Februar beteiligen sich insgesamt 24 Agglomerationsgemeinden und dieStadt Bern an der Informations- und Beratungsstelle.Betreut wird sie von fünf Fachpersonen, die sich mitdem Thema Gewalt und Rassismus auseinandersetzen. «Wir haben auch Anfragen aus der RegionLangenthal», berichtet gggfon-Projektleiter GiorgioAndreoli. Darunter seien Anrufe von hilfesuchenden Elternrechtsradikaler Kinder. «Wir sind offen für alle, also sowohlOpfer von Gewalt als auch Lehrer, Eltern, Behörden und Jugendliche, die sich mit dem Problemkonfrontiert sehen.»
Es sei möglich, Beobachtungen – beispielsweise rechtsradikale Treffen und Partys – anonym zumelden. «Wir nehmen dann mit den Behörden der entsprechenden Gemeinde Kontakt auf», erklärt Andreoli.
Wichtig sei, dass eine Gemeinde dazu stehe,wenn sie ein Problem mit Rechtsradikalen habe. «Das schlechteste ist, wenn man Angst hat undschweigt.» Strafrechtliche Anzeigen seien zwar einnotwendiger Schritt, entscheidend sei aber der Aufruf an Bevölkerung, Stellung zu beziehen. «Dabei gehtes ums Hinschauen, nicht um Bürgerwehren», stelltAndreoli klar. gggfon plane eine Reihe von Aktionen, unteranderem einen Kioskwagen, der von Gemeinden für Präventionsarbeit bestellt werden könne.