Burgerliche Nazifreunde

BernerZeitung

Katrin Rieder enthüllt burgerliche Frontistenkarrieren. Ohne gleich die ganze Burgergemeinde unter

Naziverdacht zu stellen.

Um ihre Existenz in einem bürgerlich-demokratischen Bern besser zu legitimieren, machte die Burgergemeinde Bern Ende 19.Jahrhundert Konzessionen: Sie öffnete sich und engagierte sich sozialpolitisch. Das hinderte eine Reihe von Burgern nicht, unter dem Eindruck des aufkommenden Faschismus aristokratischen Eliteträumen nachzuhängen. Nach Katrin Rieders brisanten Archivrecherchen gab es gar ein ganzes Netzwerk verwandter und verschwägerter Burger aus Patrizierfamilien, die sich in den 1930er-Jahren bei den nazifreundlichen Schweizer Frontisten engagierten.

Gauleiter Thormann

Eine der auffälligsten Figuren dieses Netzwerks ist der Architekt Georges Thormann-Girard (1912?1999). Als junger Mann gehört er der Nationalen Front an, verfasst für sie rechtsnationale Aufrufe und fällt laut den Akten auch der Berner Polizei auf. Kein Wunder: Bis 1937 ? länger als andere, die viel früher aussteigen ? wirkt er in der Nationalen Front als «Gauleiter Kanton Bern».

Für seine Frontistenkarriere ist Thormann selber verantwortlich. Dass er aber nach dem Krieg eine steile, ungehinderte Burgerkarriere machte, das stellt auch der Burgergemeinde als Institution kein gutes Zeugnis aus. 1968 wird Thormann mit über 500 Stimmen und ohne Gegenstimme zum Burgerratspräsidenten gewählt. Niemand fragt nach seinem politischen Vorleben.

Differenzierter Vorwurf

Rieder entgeht der Gefahr, ihr Buch mit dem verkaufsfördernden Nazivorwurf zu promoten: Sie wirft nicht der ganzen Burgergemeinde rechtsextreme Tendenzen vor. Für sie passt Thormanns Karriere aber «zu einem Konservatismus mit reaktionären Komponenten, wie er von vielen Burgern patrizischer Herkunft gepflegt wurde».