Die Regierung von Burgdorf hat genug von Übergriffen rechtsradikaler Gruppen und bangt um das Image der Stadt. Nach einem erneuten Vorfall greift sie zu einem ungewöhnlichen Mittel: Sie ruft zu einem Aktionstag gegen Gewalt auf.
· von barbara lauber, bern
Franz Haldimann, SVP-Stadtpräsident von Burgdorf im Kanton Bern, sorgt sich um den Ruf seiner Stadt. Seit einigen Jahren stiften dort rechtsextreme Gruppen Unruhe und geraten wegen heftigen Prügeleien und Pöbeleien regelmässig in die Schlagzeilen. So hat erst letzte Woche der Prozess gegen drei junge Rechte begonnen, die im Juni 2005 an einer Auseinandersetzung zwischen rechtsnationalen und linksgesinnten Besuchern eines Jugendfests beteiligt waren.
«Das Fass zum Überlaufen gebracht» hat laut Haldimann nun aber ein weiterer Vorfall, der in Burgdorf zurzeit für viel Aufruhr sorgt: Letzten Freitag sind eine dreiköpfige Familie und zwei weitere Personen von Jugendlichen angegriffen worden, die mutmasslich der rechtsextremen Szene angehören. Die Mutter und der 32-jährige Sohn wurden dabei verletzt. Laut eigenen Angaben hatte er sich vor drei Monaten für eine Kollegin eingesetzt, die von Rechten unflätig angemacht worden war. Der Sohn ist überzeugt, dass er dafür nun abgestraft wurde. Die Opfer haben gestern Strafanzeige eingereicht.
«Keine halben Sachen»
«Die Bevölkerung ist verunsichert. Jetzt werden keine halben Sachen mehr gemacht», stellt Franz Haldimann klar. Der Gemeinderat habe genug und wolle handeln, bevor es zu spät sei. «Wir sind schliesslich eine friedliche, tolerante und offene Kleinstadt, die jegliche Gewalt ablehnt. Als solche wollen wir auch von aussen wahrgenommen werden», betont er.
Um dies deutlich zu machen, greift die bürgerliche Regierung zu einem ungewöhnlichen Mittel: Zusammen mit der Aktion «Courage gegen Gewalt» ruft sie am Samstag zu einem Aktionstag gegen Gewalt mit persönlichen Manifesten, Referaten und Musik auf. «Wir wollen nicht länger schweigen. Wir wollen zeigen, dass nicht rechtsextreme Kreise die Regeln festlegen, sondern wir», sagt Elisabeth Zäch, Gemeinderätin und Courage-Initiantin. Ausserdem will die Regierung an den Wochenenden eine zweite Polizeipatrouille einsetzen sowie einen Runden Tisch organisieren, an dem Fachleute und Betroffene über Jugendgewalt diskutieren. Die Stadt lässt auch prüfen, ob sie ? wie etwa die Stadt Bern ? zum Mittel der Wegweisung greifen könnte.
Dass rechtsextreme Gruppen im Raum Burgdorf und Oberaargau aktiv sind, ist längst bekannt. Dazu zählen etwa die Nationale Offensive und die Partei national orientierter Schweizer (Pnos), die der Skinheadszene entstammt und inzwischen in der institutionellen Politik mitmischt: 2004 schaffte Tobias Hirschi den Sprung ins Langenthaler Gemeindeparlament, 2005 fasste Dominic Bannholzer Fuss im Gemeinderat von Günsberg im Kanton Solothurn.
Immer die Gleichen?
Trotz der Vorfälle verneint Haldimann eine Zuspitzung der Lage. Auch die Kantonspolizei betont, dass sich die rechtsextreme Szene im Kanton «quantitativ kaum verändert» habe. Die Zahl rechtsextremistischer Straftaten bewegte sich in den letzten Jahren «im einstelligen Bereich». Der Polizei sind rund 200 Berner Rechtsextreme und Skinheads bekannt, wovon «ein erhöhter Anteil» aus dem Raum Oberaargau und Burgdorf stammt. Schweizweit zählen rund 1000 Personen zum harten Kern der Szene.
Keinen Alarm schlägt auch das Bundesamt für Polizei: Zwar stellt es eine «Intensivierung der Gewalt zwischen Rechts- und Linksextremisten» fest, hält aber rechtsextremistische Aktivitäten für «kein namhaftes Risiko» für das Land: «Sie gefährden die öffentliche Sicherheit zurzeit vorwiegend lokal», heisst es in einem Bericht zur inneren Sicherheit. Die Zahl solcher Vorfälle in der Schweiz blieb in den letzten Jahren mit durchschnittlich 110 Ereignissen «stabil».