Niggli: Der Auftritt der Skinheads war eine Propaganda-Aktion, die lautAntirassismus-Strafnorm verboten ist. Das Bekenntnis der Neonazis richtete sich andie Öffentlichkeit, mit folgendem Ziel: Das Gedankengut sollte wahrgenommen undübernommen werden. Die Polizei hätte mindestens die anwesenden Personenkontrollieren sollen.
Bundesrat Kaspar Villiger sagt, dass die anwesenden Glatzköpfe nicht zwingendRechtsextreme waren. Ihre Meinung?
Niggli: Wenn eine Personengruppe an einer Veranstaltung die Hand zumKühnen-Gruss erhebt, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass es sich nicht umkommune Patrioten handelt. Es kommt halt drauf an, wie stark jemand auf einsolches Problem sensibilisiert ist.
Wird die Gefahr von rechts noch immer unterschätzt?
Niggli: Sicherlich. Politiker nehmen das Rechtsextremismus-Problem zu wenigernst. Die Skinheads sind besser organisiert und ihr Gewaltpotenzial viel grösser,als man gemeinhin annimmt.
Reicht das rechtliche Instrumentarium im Kampf gegen die Rechtsextremen?
Niggli: Nur begrenzt, denn die Antirassismus-Strafnorm berücksichtigtausschliesslich öffentliche Handlungen. Skinheads, die sich im privaten Bereichrechtsextrem oder rassistisch betätigen, werden dagegen nicht erfasst.
Warum wurde dies bei der Schaffung der Strafnorm nicht berücksichtigt?
Niggli: Weil sich die Diskussion im Vorfeld stark um dieMeinungsäusserungsfreiheit drehte. Nach dem Motto: Für eine Aussage amStammtisch soll niemand rechtlich belangt werden.
Nutzen die Rechtsextremen dies aus?
Niggli: Natürlich. Sie organisieren Feste, die als private Veranstaltungen deklariertsind, und kontrollieren jeden Besucher. Damit entziehen sie sich dem Strafrecht.Die Polizei darf in solchen Fällen nicht ermitteln – auch wenn mehrere HundertSkinheads ein Fest feiern.
Also müsste die Antirassismus-Strafnorm ergänzt werden.
Niggli: Ja. Man könnte auch nichtöffentliches Handeln – beispielsweise an privatenFesten – strafbar machen.
In Frankreich ist dies der Fall.
Niggli: Richtig. Romanische Länder wie Frankreich, Italien und Spanien habenhärtere Gesetze als die deutschsprachigen Staaten. Aber hier haben selbstDeutschland und Österreich zusätzlich spezifische Gesetze. Sie verbieten jedeHandlung und jedes Tragen von Zeichen aus dem Dritten Reich, beispielsweiseHakenkreuze.
Interview: Pascal Scherrer