Weg vom Skinhead-Ruf und Schläger-Ruch – Rechtsradikale wollen sich als politische Bewegung etablieren
In Berner Gemeinden nehmen rechtsextremeVorfälle zu, vor allem aber ist die Szene daran, sich politisch und ideologisch zu schulen. Ziel ist jetzt auch in der Region Bern der Gang in Gemeindeparlamente, wie der Berner Leiter der PNOS erklärt.
rudolf gafner
Giorgio Andreoli, Projektleiter von gggfon, der Informationsstelle gegen Gewalt und Rassismus, die von 25 Gemeinden des Vereins Region Bern (VRB) und 15 Gemeinden der Region Burgdorf getragen wird, ist beunruhigt: Nicht nur haben 2004 Meldungen über diskriminierende oder rassistische Vorfälle um einen Drittel auf rund 250 zugenommen, vor allem stellt er eine qualitative Steigerung fest: «Politisierung und Ideologisierung» der Szene, «Zunahme der öffentlichen Verbreitung rechtsextremerIdeologien.»
Eine Neonazi-Partei fasst Fuss . . .
In der Tat, auch im Raume Bern sind die Zeiten vorbei, da Rechtsextremismus sich in dumpfem Rabaukentum bierseliger Skinheads erschöpfte: Schon im Jahr 2000 war in Bern eine neonazistische Parteigründung versucht worden, doch war die «Nationale Partei Schweiz» (NPS) rasch wieder vergessen; mit der 2001 im Baselbiet ins Leben gerufenen Partei National Orientierter Schweizer (PNOS) aber hat nun erstmals seit 1945 hierzulande eine rechtsradikale Partei Fuss gefasst. Praktisch im ganzen Mittelland ist die PNOS heute präsent, so auch in der Region Bern, wo «Stützpunktleiter» Pascal Lüthard von Aefligen aus die Kameraden organisiert. Ermuntert von den Wahlerfolgen der nationalen Sozialisten in Langenthal (Einzug von Tobias Hirschi ins Stadtparlament) und im solothurnischen Günsberg (Einzug von Dominic Bannholzer in die Dorfexekutive) kündigt Lüthard nun auch für die Gemeindewahlen im bernischen Roggwil 2006 eine PNOS-Kanditatur an; einen diesbezüglichen Bericht der «Berner Zeitung» hat Lüthard gestern bestätigt.
. . . und empfiehlt sich dem Volke
Auch in der Region Bern will die PNOS zum Marsch durch die Institutionen trommeln: «Man darf damit rechnen, dass wir in Gemeindeparlamente wollen, später auch kantonal kandidieren», so Lüthard gestern zum «Bund». Konzentrieren werde sich die PNOS dabei auf den ländlichen Raum, in der Stadt Bern selber habe die Rechte noch einen schweren Stand – nicht zuletzt wegen starker linker Antifa-Präsenz. Diesem «politischen Gegner» wolle man nämlich «aus dem Weg gehen» – denn «wir wollen keine Gewalt auf der Strasse». Grund: «Es kommt nicht sehr positiv an, wenn man zu militant auftritt», so Lüthard – und die PNOS wolle nun eben «die Bevölkerung erreichen».
Wiederholt gerieten PNOS-Leute in Zusammenhang mit Körperverletzung oder Sachbeschädigung ins Gerede, auch der Staatsschutz ortete Liaisons mit gewaltmilitanten Rechten – wie glaubhaft ist es da, wenn sich PNOS-Offizielle derart von Gewalt distanzieren und sich als Politiker empfehlen? Sehr glaubwürdig sogar, versichert Lüthard: «Wir wollen ganz klar weg vom Bomberjacken-Image.» Dass Lüthard selber vorletzte Woche bei einer Schlägerei an der Burgdorfer «Solätte» dabei war, bestreitet der «Stützpunktleiter» zwar nicht – behauptet aber, er habe nur schlichten wollen (vgl. «Bund» vom 29. 6.).
Für Giorgio Andreoli vom Projekt gggfon wiederum «zeigt die Entwicklung, wie wichtig es ist, den öffentlichen Raum mit positiven Botschaften zu besetzen und menschenverachtendes Gedankengut klar zu verurteilen. Nur das kann offensives Auftreten rechtsextremerGruppierungen verunsichern und stoppen», gibt er zu bedenken.
Schützen: «Nicht in unserem Sinn»
250 Skinheads besuchten am vorigen Wochenende ein Konzert in der Schiessanlage Winigraben (Grossaffoltern). Die Verantwortlichen der Lysser Schützengesellschaft, die für die Anlage zuständig ist, beteuern nun, sie hätten nichts von den Absichten der jungen Mieter gewusst. «Eine solche Veranstaltung ist nicht in unserem Sinn», sagt Vereinspräsident Anton Clerc. «Wir waren selber völlig überrascht.» Die Mieter hätten ihre wahren Absichten nämlich nicht angekündigt.