Amtsgericht Pnos-Politiker Tobias Hirschi wurde wegen Landfriedensbruchs verurteilt
Am 1. Mai 2005 musste die Polizei Rechtsextreme stoppen, die in die Solothurner Altstadt vordringen wollten. Mit dabei: der Langenthaler Stadtrat Tobias Hirschi. Vor dem Amtsgericht Solothurn-Lebern stellte er sich gestern als Gegner der Gewalt dar. Dennoch: Hirschi muss 500 Franken Busse zahlen.
Samuel Misteli
Tobias Hirschi zeigte Demut vor der Justiz. «Verstanden», antwortete er auf die Frage von Gerichtspräsident Daniel Wormser, ob er das Urteil begriffen habe.
Nach der Verhandlung war Hirschi gespalten. «In Anbetracht der Beweise und des Sachverhalts finde ich es eine gerechte Strafe», sagte er. Das Urteil des Amtsgerichtes Solothurn-Lebern will er nicht anfechten. Zeigte er sich also mit dem Resultat zufrieden, war er dennoch nicht damit einverstanden, dass er überhaupt hatte vor Gericht erscheinen müssen. «Ich finde es einen Witz, dass man wegen solcher Sachen angeklagt werden kann.» Mit dieser Meinung hatte er zuvor auch im Gerichtssaal nicht zurückgehalten. Ansonsten gab er sich brav und kooperativ. Die vom Richter vorgelesenen Anklagepunkte nahm er mit einem Lächeln zur Kenntnis.
Prominenter Exponent an 1.-Mai-Demo
Am 1. Mai 2005 hatten rechtsextreme Kreise in Solothurn eine unbewilligte Demonstration durchgeführt. Unter den Teilnehmern befanden sich Mitglieder der Partei National Orientierter Schweizer (Pnos), als prominentester Parteiexponent der Langenthaler Stadtrat Tobias Hirschi. Als die Demonstrationsteilnehmer versuchten, in die Altstadt vorzudringen, wo der reguläre 1.-Mai-Umzug stattfand, kam es zu Zusammenstössen mit der Polizei. Auf dem Rückzug lieferten sich Ordnungshüter und Demonstranten weitere Scharmützel. Dem damals 21-jährigen Hirschi wurde später sein Bekanntheitsgrad zum Verhängnis. Er wurde angezeigt.
Seine Präsenz an der Demo leugnete der ohne Anwalt vor Gericht erschienene Hirschi nicht. Allerdings sei er von Mitteilnehmern über die Umstände getäuscht worden: «Mir wurde gesagt, die Demo sei bewilligt worden.» Wert legte Hirschi auch darauf, dass er im Gegensatz zu seinen Kollegen keine Gewalt angewendet hatte.
«Das Judentum regiert die Welt»
Gegenüber Medienvertretern und in einem Kommentar, den Hirschi nach den Vorfällen im Langenthaler Pnos-Organ «Morgenrot» veröffentlichte, hatte er das Verhalten der Demonstrationsteilnehmer noch gerechtfertigt. Mittlerweile ist man bei der Pnos vorsichtiger geworden. Der von der Partei erklärte Gewaltverzicht soll glaubwürdig wirken. Hirschi sagte denn auch gestern gegenüber dieser Zeitung: «Ich bin allgemein gegen Gewalt, man kann es auch mündlich lösen.» Ganz unbegründet fand er das Benehmen seiner Kollegen dennoch nicht. «Das Verhalten der Polizei war fehl am Platz», meinte er vor Gericht. Nach der Verhandlung konkretisierte er: «Die Polizei hat zuerst Gewalt angewendet, wir haben lediglich darauf reagiert.»
Seinen Kommentar im «Morgenrot» hatte Hirschi mit einem an der Kundgebung aufgenommenen Foto illustriert. Das Bild zeigte Demonstrationsteilnehmer, die ein Transparent vor sich hertrugen, auf dem die Frage «Wer regiert den Arbeiter?» gestellt wurde. Die Antwort wurde in Form eines die Weltkugel umspannenden Davidsterns präsentiert. Auf die Frage des Gerichtspräsidenten, wie er das Plakat interpretiere, antwortete Hirschi: «Das Judentum regiert die Welt.» Seine Lesart deckte sich mit jener des Staatsanwaltes. Dieser hatte in der Anklageschrift befunden, dass Hirschi sich aufgrund dieser Bildwahl der Rassendiskriminierung schuldig gemacht habe. Der Angeklagte gab an, keinerlei diskriminierende Absichten gehegt zu haben. Assoziationen zu Nationalsozialismus und Holocaust habe er keine wecken wollen.
Ein Frei- und ein Schuldspruch
Hirschi lag am Herzen zu erwähnen, dass es nicht Pnos-Mitglieder gewesen seien, die das Transparent vor sich hergetragen hatten. Dass er dennoch für würdig befunden hatte, es der Öffentlichkeit per Parteiorgan zugänglich zu machen, dafür gab er einen profanen Grund an: «Es war das beste Foto aus der Auswahl, die ich hatte.»
Das Gericht sprach Hirschi schliesslich vom Vorwurf der Rassendiskriminierung frei. «Wenig überlegt» habe der Angeklagte bei seiner Bildwahl, fand der Gerichtspräsident. Rassendiskriminierend sei dies aber noch nicht. Trotz des Freispruchs meinte Wormser: «Die Aussage ist ganz klar antisemitisch.» Die Bezüge zu nationalsozialistischer Ideologie und die Aufforderung zur Bekämpfung des Judentums schienen ihm aber zu wenig evident. Klar hingegen war für das Gericht, dass sich Hirschi des Landfriedensbruchs schuldig gemacht hatte. Es bestrafte ihn mit einer Busse von 500 Franken, die Entschädigung, die Hirschi für den Fall eines Freispruchs gefordert hatte, blieb ihm allerdings verwehrt.