20 Minuten Online vom 06.04.2011
Erdbeben, Atomunfall, Flächenbrand in Nordafrika: Weil die aktuellen Ereignisse viele verunsichern, haben Verschwörungstheorien Hochkonjunktur.
Désirée Pomper
Stecken die Illuminaten hinter der Atomkatastrophe in Fukushima? Hat der Antichrist die Revolte in Nordafrika angezettelt? Haben satanistische Kräfte das Flut drama in Australien her beigeführt? Und die Öl katastrophe im Golf von Mexiko – haben das die Amerikaner bewusst so eingefädelt?
«Ich werde in christlichen Gemeinden immer häufiger mit Verschwörungstheorien konfrontiert», sagt der evangelisch-freikirchliche Theologe Johannes Pflaum. So werde behauptet, die Weltgeschichte würde von Freimaurern und Illuminaten gelenkt, sagt Pflaum. Er selbst glaubt «an das Auftreten des Antichristen und die Wiederkunft Jesu».
Auch Theologe und Sektenforscher Georg Otto Schmid beobachtet, dass die Anzahl der Anhänger von Verschwörungstheorien vor allem in frei kirchlichen und esoterischen Kreisen zunimmt: «All die Katastrophen sind Wasser auf den Mühlen der Verschwörungstheoretiker. Sie sind wie Puzzleteile, die sich als Endzeit-Hinweise deuten lassen.» Zahlreiche verunsicherte Menschen flüchteten sich in diese Vorstellungen. Die letzte Verschwörungstheorie-Welle sei in den 90er- Jahren abgeklungen, nun hätten die Ideen wieder massiv Auftrieb.
Schmid warnt vor «tragischen Entwicklungen»: «Verschwörungstheorien sind sehr oft mit Endzeit-Szenarien verbunden. Das Leben in Weltenderwartung kann zu schweren psychischen Problemen führen.» Vor allem Anhänger des Maya-Kalenders, die daran glauben, dass am 21.12.2012 die Welt untergeht, seien gefährdet: «Dreht sich die Welt danach weiter, werden sie ihres Lebenssinns beraubt und könnten Suizid begehen.»
Esoteriker und der Maya-Kalender
Esoteriker um den Gründer der «Spirituellen Schule Schweiz», Bruno Würtenberger, glauben laut Sektenforscher Georg Schmid, dass bösartige Ausserirdische gemeinsam mit den Illuminaten (Geheimbund) die Welt beherrschen würden. Gemäss Esoterikern leben wir in der Endzeit. Der grosse Zyklus des Maya-Kalenders endet mit der Wintersonnenwende am 21.12.2012. Dann soll auch die Welt untergehen. Gerettet werden nur die spirituellen Menschen.
Freikirchen und der Antichrist
Freikirchliche Kreise erwarteten eine antichristliche Verschwörung, so Theologe Georg Schmid. «Demnach will der Antichrist als Gegenmacht von Jesus die Weltherrschaft an sich reissen und eine universale Weltreligion gründen.» Der Antichrist sitzt in der Uno oder der EU, weshalb diese multinationalen Organisationen ein erklärtes Feindbild sind. Vor allem der Aufstand im muslimischen Raum gebe der Verschwörung neuen Auftrieb, so Schmid.
Erzkatholiken und Freimaurer
Manche konservative Katholiken sehen sich noch immer im Kampf gegen die Freimaurer – Vorkämpfer eines liberalen und aufklärerischen Staates, so Theologe Georg Schmid. Diese reaktionären Katholiken machen die Freimaurer verantwortlich für den Wertezerfall in der Gesellschaft, etwa der Sexualmoral. Daneben gibt es einige rechtsgerichtete Erzkatholiken, die die Freimaurer als eine Tarnorganisation einer jüdischen Weltverschwörung betrachten.
Nazis und die Ausserirdischen
Rechtsradikale glauben an die jüdische Weltverschwörung, was auf die «Protokolle der Weisen von Zion» zurückzuführen ist. Dieses antisemitische Pamphlet ist seit Anfang des 20. Jahrhunderts in diesen Gruppierungen verbreitet. Auch Verschwörungstheorien der Islamisten basieren auf der Theorie einer jüdischen Weltverschwörung. Doch auch der Glaube an Ausserirdische ist in rechtsextremen Kreisen präsent: So soll Hitler gar Ufos gebaut haben.