Blocher will Calmy-Rey ausbremsen

SonntagsZeitung

Mit einer provokativen Attacke aufs Völkerrecht möchte er den Rütli-Auftritt der Bundespräsidentin unterlaufen

Von Andreas Windlinger

BERN · Mit einem Angriff auf das Völkerrecht und einer Breitseite gegen Bundesrat, Parlament und Gerichte versucht Christoph Blocher, für die SVP die Lufthoheit im Wahlkampf zurückzugewinnen. Es sei «beängstigend», wie in der Schweiz die Volksrechte immer öfter «leichtfertig» durch das Völkerrecht ausgehebelt würden, heisst es in der schriftlichen Fassung der 1.-August-Rede, die Blocher am Dienstag in Schwarzenburg halten wird. Bundesrat, Parlament und Gerichte dürfen sich laut Blocher nicht über Volksentscheide hinwegsetzen. «Der Kampf gegen ?Vögte?, die den Volkswillen einschränken, ist eine Daueraufgabe.»

Blocher hat seinen Redetext durch sein Umfeld aktiv streuen lassen. Er dürfte darauf hoffen, dass er mit seiner Provokation Micheline Calmy-Rey im Buhlen um die Medienaufmerksamkeit am Nationalfeiertag konkurrenzieren kann. Seitdem feststeht, dass die Bundespräsidentin und SP-Wahllokomotive trotz rechtsextremer Drohkulisse am Nationalfeiertag auf dem Rütli auftritt, sind Blocher und seine SVP in ihrem Kerndossier Patriotismus in starker Rücklage. Dass die Partei zum 1. August Bögen für ihre Ausschaffungsinitiative in alle Haushalte verschicken will, ändert daran wenig. Deshalb versucht nun Blocher, Calmy-Rey mit einer Provokation in einem ihrer Kerndossiers zu konkurrenzieren. Calmy-Rey betont bei jeder Gelegenheit, wie wichtig das internationale Völkerrecht für einen Kleinstaat wie die Schweiz ist.

Blocher legt sich gleich auch noch mit Couchepin an

Provokativ sind Blochers Aussagen auch deshalb, weil sie an eine Debatte anknüpfen, die im Herbst 2004 zu einem Eklat im Bundesrat geführt hat. Blocher hatte sich damals geweigert, im Namen der Regierung das Volks-Nein zu den Einbürgerungsvorlagen zu kommentieren. Begründung: Einem Volksentscheid gebe es nichts hinzuzufügen. Pascal Couchepin kritisierte damals, Blocher mythisiere den Volkswillen und gefährde so die Demokratie. Noch letzte Woche lobte Couchepin in einem «Hebdo»-Interview, Blocher habe nach dem Eklat von 2004 seinen Volksentscheide-über-alles-Diskurs eingestellt.

Nun aber ist Wahlkampf, und Blocher stellt sich wieder voll und ganz in den Dienst der SVP. Seine Partei steht mit Einbürgerungs-, Ausschaffungs- oder Minarettinitiative im Dauerkonflikt mit dem Völkerrecht. Und die früher von Blocher präsidierte Auns will mit einer neuen Initiative mehr demokratische Mitsprache bei internationalen Verträgen fordern.

Ob Blocher mit seiner Absicht, zu provozieren, Erfolg haben wird, hängt davon ab, wie Medien und Politik reagieren. Calmy-Rey entscheidet sich womöglich für den Gegenangriff: In ihrem Umfeld heisst es, sie wolle am 1. August unter anderem zu Integration und Ausländern sprechen – einem Thema aus dem Departement Blocher.

1.-August-Redner Calmy-Rey und Blocher: Am Nationalfeiertag prallen zwei Weltanschauungen aufeinander fotos: Keystone

Bundesräte als Wahlkämpfer

Bundesräte sind Aushängeschilder für ihre Parteien. Besonders wenn Nationalfeiertag und Wahlkampf zusammenfallen. Die Nase vorn hat Micheline Calmy-Rey. Mit ihrem 1.-August-Auftritt auf dem Rütli stiehlt sie der SVP die Patriotismus-Show. Christoph Blocher wird versuchen, ihr mit vier Auftritten rund um den 1. August Konkurrenz zu machen (siehe Haupttext). Pascal Couchepin gibt als Schirmherr des morgigen 1.-August-Openairs in Bern den weltoffenen Magistraten. Letzte Woche schlug er zudem vor, Ausländer rascher einzubürgern, was in seiner Partei jedoch schlecht ankam.

Doris Leuthard versucht sich, mit einer 1.-August-Rede in Berlin zu profilieren. Die Auftritte der drei anderen Bundesräte werden wohl unter «ferner liefen» abgehandelt werden.