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Nationalräte aus SP und Mitte verlangen ein Verbot von Symbolen wie Hakenkreuz und Hitlergruss. Ein solches habe aber nur eine bedingte Wirkung, sagen Rechts- und Gewaltexperten.
Darum gehts
- Politikerinnen und Politiker wie auch der Israelitische Gemeindebund fordern ein Verbot von Nazi-Symbolen.
- Motionärin Marianne Binder-Keller gibt dem Verbot im Parlament gute Chancen.
- Ein Gewaltforscher Dirk Baier vermutet jedoch einen geringen präventiven Effekt.
Nazi-Symbole drangen in der Pandemie vermehrt an die Oberfläche. Mit Hitlergrüssen oder Judensternen und der Aufschrift «ungeimpft» marschierten einige Massnahmenkritikerinnen und -kritiker in den Corona-Demos mit.
Das Tragen der Symbole, die von einem der grössten Verbrechen in der Geschichte der Menschheit stammen, bleibt aber unbestraft. So ist deren Verwendung und Verbreitung nur strafbar, wenn damit eine rassistische Ideologie symbolisiert und für diese öffentlich geworben wird. Eine nazistische Gesinnung als solche oder das Bekenntnis zur Gesinnung reichen dafür nicht.
Am Mittwoch forderte der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) ein Verbot von Nazi-Symbolen – erstmals in dieser Deutlichkeit. Die Verwendung von nationalsozialistischen Symbolen in den letzten Jahren habe markant zugenommen, sagt SIG-Präsident Jonathan Kreutner. «Ob nun Hitlergrüsse in der Öffentlichkeit oder die Judensterne im Umfeld der Coronamassnahmen-Gegnerschaft.»
Gesten, Fahnen, Grussformeln
Im Nationalrat sind bereits drei Vorstösse für ein solches Verbot hängig. Den Anfang machte Mitte-Nationalrätin Marianne Binder-Keller mit einer Motion. Darin verlangt sie eine eigenständige gesetzliche Grundlage. Diese müsse die Verwendung von in der Öffentlichkeit bekannten Kennzeichen des Nationalsozialismus sowie von Gegenständen, die solche Kennzeichen darstellten oder enthielten, verbieten und unter Strafe stellen. Als Beispiel erwähnt sie etwa Gesten, Parolen, Grussformeln, Zeichen, Fahnen und Bilder.
SP-Nationalrat Angelo Barrile und SP-Nationalrätin Gabriela Suter doppelten mit parlamentarischen Initiativen nach. Marianne Binder-Keller rechnet damit, dass das Parlament dafür stimmen wird. Tatsächlich zeichnet sich mit den Vorstössen aus SP und Mitte eine parteiübergreifende Unterstützung ab. Nach dem Zweiten Weltkrieg seien Nazi-Symbole in der Gesellschaft völlig tabu gewesen, sagt Binder. «Zunehmend haben sich eine Nonchalance und Geschichtslosigkeit eingeschlichen, wie es nun auch bei Corona erschreckend zum Ausdruck kommt.»
Verschiedene Organisationen setzen sich für ein Holocaust-Denkmal in Bern ein. Binder: «Wenn man ein Denkmal im Gedenken an ein einmaliges Verbrechen errichtet, kann man auch alles verbieten, was diese Einmaligkeit verhöhnt.»
Aufklärung sei effektiver
In Deutschland droht für das Verwenden von Symbolen aus dem Nationalsozialismus eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren. Gewaltforscher Dirk Baier vermutet jedoch einen geringen präventiven Effekt im Falle eines Verbots. Dies zeigten zum Beispiel Zahlen aus Deutschland. «Dort werden jedes Jahr Tausende entsprechende Straftaten registriert.» Aus seiner Sicht sei ein Verbot der Symbole aber nicht primär mit der Prävention zu begründen. «Sondern damit, dass sie eine Gefahr für das demokratische, friedliche Zusammenleben darstellen und eine Gesellschaft dies nicht tolerieren kann.» Rechtsexperten sind sich hingegen uneinig (siehe unten).
Muss der Rechtsstaat Nazi-Symbole verbieten?
Der Zürcher Strafrechtsexperte David Gibor befürwortet ein Verbot von Nazisymbolen. Er verweist auf die Strafnorm gegen Rassendiskriminierung, die antisemitische und rassistische Handlungen unter Strafe stellt. Geschützt werden sollen damit die Menschenwürde und der öffentliche Frieden. «Es ist daher nur konsequent, wenn der wehrhafte Rechtsstaat nicht allein die menschenverachtenden Tätigkeiten, sondern auch die Symbole verbietet, welche die gruppenbezogene Feindlichkeit kennzeichnen.»
Der Schwyzer Rechtsanwalt Sergio Giacomini äussert sich hingegen skeptisch. Das Strafrecht sei Ultima Ratio und sollte erst angewendet werden, wenn andere Bemühungen versagt hätten, sagt er. Erziehung, Aufklärung und gesellschaftliche Ausgrenzung des Rechtsextremismus erachte er unter dem Gesichtspunkt einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung als effektiver. Die Meinungsfreiheit sehe er jedoch nicht tangiert im Falle eines solchen Verbots. «Ein blosses Hakenkreuz oder der Hitlergruss sind keine Meinungsäusserung, sondern eine Hassbotschaft, mit der jemand verletzt oder verunglimpft werden soll.»