Aufruhr um Lob der SVP-Gemeinderätin für Berns Antifa: Ursula Begert hat den Bogen offenkundig überspannt
Ob Ursula Begert 2004 wieder kandidieren will, hat sie noch nicht entschieden, indes spielt ihr Entscheid keine Rolle mehr – denn: Ihre Partei will sie gar nicht mehr. Jedenfalls ist jetzt selbst für SVP-Präsident Hans Ulrich Gränicher, bisher treu an der Seite Begerts, klar: «Die Gemeinderatsliste 2004 wird anders aussehen.» Begert wittert darob eine Fuchs-Intrige.
rudolf gafner
«Es ist ausgeschlossen, dass Begert noch einmal nominiert wird. Und tritt sie noch einmal an, gibts in der Partei einen Riesenmais», ist Thomas Fuchs, Grossrat und Nationalratsbewerber der Stadt-SVP, sicher. So siehts auch André Schären, Präsident der Jungen SVP des Kantons Bern – der nun sogar demonstrativ unter Protest «aus der Stadtsektion austritt», um ein Zeichen zu setzen gegen «Begerts nicht mehr tragbares Verhalten»: Begert sei in der SVP nicht nur vollkommen isoliert, sie sei schlicht «in der falschen Partei».
Selbst Gränicher hat jetzt genug
Aber nicht nur notorische Wortführer der rechtsbürgerlichen Berner «Blocheristen» wie Fuchs nehmen kein Blatt vor den Mund, auch stillere Wasser tun es nicht mehr. So ist auch Stadtrat Thomas Weil «sehr enttäuscht». Begert nehme sonst schon «wenig Rücksicht auf die Fraktion» – und hier habe sie «das Agreement, Rücksicht aufeinander zu nehmen, nicht eingehalten». Ebenfalls «ziemlich erbost» ist Beatrice Rossi, Präsidentin der Sektion Süd. Begert sei «der Partei in den Rücken gefallen».
Noch weit mehr aufhorchen lässt, dass sogar SVP-Präsident Hans Ulrich Gränicher, der bisher stets zu Begert gehalten hat und als Hüter des fragilen Zusammenhalts der Stadtpartei immer sehr moderat blieb, jetzt Fraktur redet – an die Adresse Begerts. «Begert hat mich persönlich und die Partei in gewissem Sinne desavouiert», dies «in der Annahme, sie könne sich eine gewisse Narrenfreiheit herausnehmen», so Gränicher zum «Bund».
Begert am Ende, Schori in Fahrt
Ja, mehr noch, deutlicher noch: Gränicher bestätigt, dass es in der Tat «etwas auf sich hat» mit Fuchs? Prognose, dass es keine Rolle mehr spielt, ob Begert nochmal antreten will oder nicht. Denn, so sagt der Parteichef – der gern als vorsichtig-unverbindlich in der Möglichkeitsform verharrender Redner auftritt – hier klipp und klar, ohne Wenn und Aber: «Die Gemeinderatsliste 2004 wird anders aussehen.»
Das heisst denn auch, dass die Bahn frei ist für Beat Schori, den amtierenden Stadtratspräsidenten: Der «höchste Berner» möchte erklärtermassen Begerts Nachfolger in der Stadtregierung werden. Und Begerts erneuter und jetzt offenbar tiefer Fall in Ungnade stärkt Schoris Position – die Anfang Jahr nämlich ebenfalls nicht die beste war, weil auch er in den Strudel einer SVP-internen Revolte geraten war: Stadtrat Rolf Häberli, Ratspräsident 1999, trat zur FDP über – aus Wut über den «Schori-Clan», der mit «Lügen, Intrigen», gar «stalinistischen Methoden» operiere.
Begert verteidigt linke Antifas . . .
Doch auf den Schori-Aspekt bei der jetzt erneut entflammten und gleich noch weiter eskalierten SVP-Krise sei hier und heute nicht auch noch näher eingegangen; Vorrang hat, darzulegen, was in der neuen Begert-Affäre denn eigentlich Sache ist. Es begann am Dienstag dieser Woche an Begerts Pressekonferenz zur Jugendpolitik – an der sie, in der Fragerunde, die Antifa-Jugendbewegung in Schutz nahm gegen bürgerlich-gewerbliche Angriffe. Sie finde «unbequeme» Junge wie die gegen Faschismus engagierten Antifas «an und für sich ganz gut», und sie hätte sich «mehr Anerkennung gewünscht dafür, wie diszipliniert und friedlich sie diesmal demonstriert haben», sagte die SVP-Taube Begert (nachdem der SVP-Falke Fuchs umgekehrt gar ein Verbot des «4. Antifaschistischen Abendspaziergangs» verlangt hatte). Auch die von Antifas verübten Kreide-Kritzeleien (siehe Kasten) seien «kein Grund zu grosser Empörung», man rege sich da «über Kleinigkeiten» auf, fand Begert. Die Vizestadtpräsidentin trat damit der Gewerbelobby und dem Leist-Establishment arg auf die Zehen – wie auch der bürgerlichen Stadtpflege-Lobby «Heit Sorg zu Bärn», die ihrerseits die Polizei zu repressiver Härte gegen den «Besorgnis erregenden» Kreide-Boom in Bern aufrief («Keine Toleranz!»).
. . . gegen den eigenen Parteichef
Tja, und nun muss man wissen, dass ein prominentes politisches Aushängeschild von «Heit Sorg zu Bärn» SVP-Stadtrat ist – und zwar erst noch Hans Ulrich Gränicher, der Vizepräsident der Vereinigung. Und um so mehr fühlt sich Gränicher von Begert denn auch nicht nur als Parteipräsident «desavouiert» – denn an der letzten Hauptversammlung seiner Vereinigung kündigte der Vize an, im Parlament zur Kreide-Schmiererei zu interpellieren, um mehr Druck zu machen. Ebenfalls im «Heit Sorg…»-Vorstand sitzt SVP-Süd-Frau Rossi, die Begert jetzt zur Last legt, «die Antifa-Demo heruntergespielt» zu haben, seien doch die Schäden wegen der Kreide-Kritzelei immens.
Fuchs: Begert «schädigt Partei»
«Hätte Frau Begert ein Haus in der Stadt, so hätte sie sich auch anders geäussert», sagt Rossi. In diese Kerbe haut auch Fuchs, nur angriffiger: «Wir müssen wohl einmal Frau Begerts Bauernhaus mit Kreide vollschreiben, damit sie sieht, wie das ist.» Auch Stadtrat Weil hat «den Augen nicht getraut, als ich am Mittwoch Begerts Aussage las», und JSVP-Kantonalchef Schären wirft der SVP-Gemeinderätin vor, «Grundsätze der SVP-Politik anzugreifen», trete doch die Partei «für Recht und Ordnung und gegen die Reithalle» auf. Eine SVP-Politikerin, die die linksradikale Antifa-Autonomen auch noch unterstütze, sei «untragbar». So siehts auch Begerts Erzrivale Fuchs, der Ehrenpräsident der JSVP Kanton Bern ist (welche Begert sogar schon offen den Rücktritt nahegelegt hat): «Mit ,SVP? hat das nichts mehr zu tun.» Begert verhalte sich «parteischädigend», so Fuchs: «Ich glaube langsam, sie macht das absichtlich.»
Jetzt sei die Parteileitung gefordert, finden Fuchs und Weil. Gränicher hört die Appelle wohl, findet sie auch angebracht – sei doch der «Handlungsbedarf ausgewiesen». Doch was sollte er schon noch tun? Erst zwei Monate ist es her, seit er mit viel einfühlsamem präsidialem Krisenmanagement den letzten Eklat zwischen «Blocheristen» und «Bern-Liberalen» ausgebügelt hat (Begert hatte Fuchs? Nationalratsnomination bekämpft) – und jetzt liegt wieder alles in Scherben. «Nein», antwortet Gränicher denn auch auf die Frage, ob er frustriert sei: «Ich bin mehr als frustriert.» Er frage sich, «was eigentlich für Hintergrundspiele getrieben werden».
Begert bekräftigt Lob für Antifa
Dies allerdings fragt sich Begert auch, denn «mich hat keiner kontaktiert, es läuft hintendurch». Auf Heckenschützenattacken via Presse wolle sie «nicht eintreten»: «Diesen Gefallen tue ich ihm nicht», erklärt Begert – und zielt auf Fuchs, in der Annahme, dass er hier im Hintergrund Fäden ziehe. Nicht, dass sie die Kritik aus der Partei «absolut auf die leichte Schulter nehme, als ginge mich alles nichts an» – doch wolle sie nicht «Fuchs? Spiel» mitspielen, das sie «nicht irrsinnig beeindruckend», sondern im Gegenteil «lächerlich» finde. Nur so viel: Sie fühle sich in der SVP nach wie vor «nicht isoliert» – sei aber etwas enttäuscht vom Parteichef, habe sie doch beim letzten Eklat «erwartet, dass Gränicher Fuchs ,stallt?».
An ihrer Aussage hält Begert im Übrigen fest: Es wäre «klug», Bürgerliche würden «die Leistung» der Antifa-Autonomen am 1. März anerkennen: «Haltet Ihr mal so einen Haufen Jugendlicher im Griff – das ist doch weiss Gott eine Leistung!»
Sinnige Ironie der Geschichte: So endet die Antifa-«Demo» doch noch in Krawall, und zwar gerade weil sie friedlich blieb – in PolitKrawall an der SVP-«Nachdemo».
«al-Kraida»
«DEMO»-KREIDE · «Zu Tode» geärgert hat sich der Berner Polizeidirektor Kurt Wasserfallen (fdp) als Zuschauer am Rande der Schüler-Kundgebung vom Donnerstag. Die dabei wieder massenhaft verwendete Kreide (siehe Haupttext) habe mittlerweile so weite Kreise gezogen, dass polizeiliches Einschreiten nur mehr schwer möglich sei, räumt er ein. In einschlägigen Internetforen der linken Szene übrigens werden Berns KreideKritzler unterdessen keck als «al-Kraida» betitelt – eine Anspielung an Wasserfallens Vergleich von «Demo»-Randalierern mit Terroristen.
Beim «4. Antifaschistischen Abendspaziergang» vom 1. März habe die Polizei «die Kreide-Geschichte falsch eingeschätzt», räumt Franz Märki, Informationschef der Stadtpolizei, ein. Die Kreidekritzeleien wurden damals als Alternative zum Sprayen toleriert. Bald schon protestierte die Vereinigung «Bern Shopping», zumal das Wegwischen der Kreide keineswegs einfach sei. Die weggewaschenen Schriften würden zudem, so Daniel Nicklès, Präsident von «Bern Shopping», nach ein paar Tagen «schwach wieder sichtbar».
Die Stadtpolizei Bern hat auf diese Erkenntnis reagiert und droht seither mit Anzeige wegen Sachbeschädigung (siehe «Bund» vom Montag). Aus strafrechtlicher Sicht bewegt sich diese Drohung aber in einer Grauzone. Laut Gerichtsentscheiden muss die Beschädigung oder Verunreinigung «schwer zu entfernen» sein. Ob davon die Rede sein könne, gibt auch Märki zu, wisse er nicht.
Statt mit Anzeige zu drohen wäre es deshalb viel sinnvoller, die Schüler zu sensibilisieren, sagt Daniel Nicklès. Diesen Vorschlag hat die Stadtpolizei aufgenommen und will in Schulen Aufklärung in Sachen «Demo»-Kreide betreiben. (ham)