BURGDORF / Zehn Monate Gefängnis bedingt: So lautet das Urteil für ein ehemals führendes Mitglied der Berner Skinhead-Szene. Der 23-Jährige hatte Bomben gebastelt und mit einer Schrotflinte auf «Solterpolter» geschossen.
bwb. Mit dem Arsenal hätte man eine kleine Guerillaeinheit ausrüsten können: 23 selbst gebastelte Bomben aus Rahmbläser-Kapseln gehörten zum Waffenlager, das die Polizei im Mai 2000 in der Umgebung von Bern aushob nebst Pistolen, Gewehren, Schlagringen und anderen Schlaginstrumenten, Messern, Gassprays, Munition und einem Elektroschockgerät. Zwei führende Köpfe der rechtsextremen Szene wurden verhaftet. Einer von ihnen, der heute 23-jährige Sanitärmonteur Z., stand gestern vor dem Kreisgericht Burgdorf-Fraubrunnen. Zur Last gelegt wurde ihm eine ganze Reihe von Delikten von Widerhandlungen gegen das Waffen- und das Sprengstoffgesetz über Sachbeschädigungen und Rassendiskriminierung bis zur Gefährdung von Menschenleben.
Dem Katalog von Anschuldigungen stand ein Auftreten gegenüber, das kaum unauffälliger hätte sein können. Mit Kurzhaarfrisur, Hemd, schwarzer Hose und Halbschuhen hatte Z. mit dem landläufigen Bild eines gewalttätigen Skinheads kaum etwas gemeinsam. Aus der «Nationalen Offensive» (NO, siehe Kasten) sei er längst ausgetreten, sagte er. Seine Freizeit verbringe er heute vor dem Computer, mit der Freundin, im Auto oder auf dem Töff. Zur «Organisation»habe er «gar keinen Kontakt mehr» auch wenn er nach wie vor ein paar Mitglieder kenne. In der NO gebe es aber mittlerweile auch Leute, mit denen er sich «nicht oder nicht mehr» identifizieren könne.
Schrotschuss als «Warnung»
Früher war das anders. Mit seiner Einstellung und seiner Kleidung sei er eine «Zielscheibe» gewesen, sagte Z. «Wenn man so durch die Stadt ging, hatte man alle zwei Meter ein Problem.» Waffen seien einerseits sein Hobby gewesen, so der «erfahrene Schütze», andererseits habe er sie «zum Schutz» gebraucht. Als er am 21. August 1999 seine «Pump Action»-Flinte ins Auto packte und von seinem Wohnort in der Region Bern ins Marziliquartier fuhr, hatte er allerdings anderes im Sinn. Weil ein Kollege «Krach» mit den linksalternativen «Solterpolter»-Bewohnern hatte, habe er diesen «eine Warnung verpassen und über das Haus schiessen» wollen. Der Schuss mit «Kaninchenschrot» vom Fahrersitz aus traf dann allerdings das Haus. Die tiefsten Einschläge fand die Polizei 2.40 Meter über Boden. Im Innern stellte sie Einschläge in Holzbalken und Abpraller von Stahlträgern fest, die den Raum hinter dem Eingangstor getroffen hatten verletzt wurde indessen niemand.
Im März 2000 liess es Z. erneut knallen. In einer Kiesgrube zündete er zwei selbst gebastelte Sprengkörper: leere Rahmbläser-Kapseln, die er mit Schwarzpulver aus einem Berner Waffengeschäft gefüllt hatte. Über 20 solche Bomben hatte er gebaut und eine davon für 20 Franken «als Probe» an einen bekannten Berner Rechtsradikalen verkauft um die «Kasse aufzubessern», wie er sagte. Als er sich von der Heftigkeit der Explosion überzeugt hatte, sah er von weiteren Verkäufen ab «ich fand das zu gefährlich». Überhaupt sei es ihm beim Ganzen «eigentlich ums Basteln»gegangen. «Ich habe schon früher immer viel gebastelt.»
«Bömbeli für den 1. August»
Sein Mandant habe die «Bömbeli» am 1. August abbrennen wollen, sagte der Verteidiger. Z. sei «kein gefährlicher Mensch, sondern ein überlegter, besonnener, der niemanden gefährden will». So habe er beim Bombentest «alles getan, um eine Gefährdung Dritter auszuschliessen». Auch der Griff zur Waffe als Warnung sei zwar «unmoralisch», eine Verletzungsgefahr habe jedoch «nur theoretisch» bestanden. Leute vom Schlage eines Z. seien «eher verschupfte, heimatlose Kinder als Verbrecher», seine Taten «nicht besonders gravierend», eine Strafe von drei Monaten Gefängnis daher angemessen.
Staatsanwalt Walter Wyss dagegen beantragte zehn Monate bedingt, wobei sich seine Einschätzung kaum von derjenigen des Verteidigers unterschied. Sowohl im Fall «Solterpolter» wie bei den Bomben könne nicht von einer konkreten Gefährdung von Menschenleben gesprochen werden. Z. sei zwar ein «Aktiver» in der Szene gewesen und habe «tief in dem Zeug gesteckt». Heute aber zeige er Einsicht und lasse sich das Strafverfahren «genug Lehre sein, um künftig aufzupassen».
Rassendiskriminierung
Das Gericht schloss sich den Anträgen des Staatsanwalts an. Schuldig gesprochen wurde Z. wegen Sachbeschädigung, Verstössen gegen das Waffen- und das Sprengstoffgesetz sowie Rassendiskriminierung: Zusammen mit einem Kollegen hatte er im Juli 1999 das Schaufenster der Käserei Hindelbank mit mehr als 30 rassistischen Aufklebern verunstaltet, weil der Betreiber des Verkaufsladens ein türkischstämmiger Schweizer ist. Mittlerweile scheint sich der geläuterte Skinhead anderen Feindbildern zugewandt zu haben: Er ist Gründungsmitglied eines «reinen Männerclubs» mit dem klingenden Namen «Bad Car Club». Zitat aus den Statuten: «Dieser Club wurde aus Spass am Autofahren gegründet und zum vereinten Kampf gegen das Strassenverkehrsamt.»
«Rechtsterrorismus»
bwb. Ein im Herbst 2000 publizierter Bericht der Bundespolizei über die Schweizer Skinhead-Szene zählt den gestern Verurteilten zu den führenden Köpfen der «Nationalen Offensive» (NO), einer «zahlenmässig kleinen Organisation noch ohne ausgebildete internationale Kontakte, doch mit klarem Bekenntnis zum Nationalismus und zur Fremdenfeindlichkeit». Die NO sei 1997 aus der «Organisation Bern» hervorgegangen, die ihrerseits aus der «streng nationalsozialistisch ausgerichteten Neofaschistischen Front Bern» entstanden war. Im Frühjahr 2000 zählte die NO laut Bundespolizei 21 Vollmitglieder, darunter ein gutes Dutzend bekannte Skinhead-Aktivisten, sowie 16 Anwärter. Die Mitglieder seien zwischen 16 und 28 Jahren alt und «überwiegend in handwerklichen Berufen tätig».
Mit ihrer «nationalsozialistisch beeinflussten Ideologie» und einer «systematisch vorbereiteten Gewaltbereitschaft» lasse die Gruppe «erste Ansätze eines Rechtsterrorismus» erkennen, schreibt die Bundespolizei bezüglich der vom gestern Verurteilten gebastelten Bomben. Laut Experten seien diese wegen ihrer Splitterwirkung als «sehr gefährlich» einzustufen.