Ausnahmezustand auf dem Rütli
Einen Monat vor der 1.-August-Feier ist die Stimmung bereits bedrohlich aufgeheizt
von Matthias Halbeis
BRUNNEN SZ · In einem Monat herrscht in der Innerschweiz Ausnahmezustand: Die Sicherheitskräfte rüsten sich mit einem Rekordaufgebot für die 1.-August-Feier auf dem Rütli. Vor allem das Schwyzer Dorf Brunnen-Ingenbohl droht zum Schauplatz von Konfrontationen zu werden – zwischen der Polizei und Rechtsextremen, aber auch zwischen Rechten und Linken.
Nach den wüsten Schimpftiraden von Neonazis gegen Bundesrat Samuel Schmid an der letzten Rütlifeier hat die Rütlikommission entschieden, den Zugang zur Feier zu beschränken: Nur wer seine Identität angibt, erhält ein Gratisticket für die Bundesfeier.
Ursprünglich war geplant, dass Kommission und Polizei die Angemeldeten in den polizeilichen Datenbanken überprüfen. Einschlägig bekannte Rechtsextreme sollten kein Ticket erhalten. Datenschützer untersagten dies: Polizeidaten dürfe man nicht an Private weitergeben. Jetzt erhält die Polizei von der Kommission die Liste mit den angemeldeten Besuchern. Nicht willkommene, rechtsextreme Provokateure werden in Brunnen abgewiesen.
Das wollen sich die gewaltbe reiten Rechten nicht gefallen lassen. Das Vorgehen sei eine «Vogterei der Rütlikommission», heisst es auf einer einschlägigen Internetseite. Die rechten Schläger wollen sich nun mit Gewalt Zugang zum Rütli zu verschaffen. Der Luzerner Polizeikommandant bestätigt, dass sich die Sicherheitskräfte auf genau dieses Szenario vorbereiten.
Zusätzlich aufgeheizt wird die Situation auf dem Rütli durch die Wahl des Festredners: Geplant ist, dass Markus Rauh, Ex-Verwaltungsratspräsident der Swisscom, zu den Besuchern spricht. Rauh hat sich als pronocierter Gegner des neuen Asyl- und Ausländergesetzes profiliert, das am 24. September zur Abstimmung kommt. Er war eingeladen worden, nachdem Bundespräsident Moritz Leuenberger abgesagt hatte. Nationalrat Hans Fehr (SVP, ZH) findet Rauh «denkbar ungeeignet und für viele Leute eine Provokation», wie er in einer Anfrage an den Bundesrat schreibt. Er fürchtet, dass Rauh die Gelegenheit nutzt, um für ein Nein zur Asylgesetzrevision zu werben. Auch Nationalrat Walter Wobmann (SVP, SO) sprach in der Fragestunde von der «unerfreulichen Situation, dass die bundeseigene Rütliwiese am Nationalfeiertag möglicherweise zu Abstimmungszwecken missbraucht» werde.
Staatsschutzbericht zeigt: Rechte Szene wird militanter
Dass die Gewaltbereitschaft unter den Rechten steigt, zeigte sich vergangenen Sonntag bei einem Rechtsextremen-Treffen in Beinwil AG. Die Kantonspolizei suchte erst das Gespräch – doch die Gewaltbereitschaft und Aggressivität der Neonazis verhinderte dies. Erst mit massiver Verstärkung konnten die Behörden das Treffen auflösen.
Dass die rechte Szene militanter wird, bestätigt auch der Staatsschutzbericht 2005: «Auftritte von Rechtsextremen erfordern zunehmend den Einsatz stärkerer Polizeikräfte und gefährden teils punktuell, teils lokal die öffentliche Ruhe und Ordnung der Schweiz.»
Rechtsextreme an der 1.-August-Feier 2005: Nach den Beschimpfungen gegen Bundesrat Schmid wird die Zugangskontrolle auf dem Rütli dieses Jahr verschärft
Vor Gericht
Tobias Hirschi, Langenthaler Stadtrat der rechtsextremen Pnos, wird sich vor Gericht wegen Landfriedensbruchs verantworten müssen. «Die Staatsanwaltschaft wird das Verfahren gegen ihn ans Gericht überweisen», bestätigt Sabine Husi, stellvertretende Solothurner Oberstaatsanwältin. Hirschi hatte am 1. Mai 2005 an einer gewalttätigen unbewilligten Demonstration in Solothurn teilgenommen. Die Polizei verhinderte sie und nahm 46 Personen fest. 41 wurden angezeigt, darunter auch Hirschi. Schon verurteilt: Der Ex-Chef der Pnos Bern, Pascal Lüthard. Hirschi war am letzten 1. August auch auf dem Rütli und in Brunnen dabei.