Rechtsextreme Einstellungen als Spiegel der Gesellschaft
Titus Villiger
Zwar hat im Baselbiet die rechtsextreme Szene abgenommen. Doch Konflikte zwischen Ausländern und Schweizern sind bei den Jugendlichen weit verbreitet. Dies zeigte ein vom Komitee «Liestal schweigt nicht» organisiertes Podium in Liestal.
Die Zahlen: Nur ein Drittel aller Jugendlichen weist Gewalt als Mittel zur Konfliktlösung grundsätzlich zurück. Rund zwölf Prozent befürworten explizit Gewalt gegenüber Ausländern. Und: Nur etwa die Hälfte weist typisch antisemitische Vorurteile zurück. Sind deshalb alle anderen Rechtsextreme? «Nein, sicher nicht. Ich würde sagen, die meisten von ihnen sind so wie wir», erklärte Wassilis Kassis vom Pädagogischen Institut der Universität Basel an einer Podiumsdiskussion über Rechtsextremismus in Liestal.
Doch die Baselbieter Polizeidirektorin Sabine Pegoraro ist von den Zahlen kaum überrascht: Zwar habe die eigentliche rechtsextreme Szene abgenommen. Doch komme es immer wieder zu bandenmässigen Auseinandersetzungen zwischen «rechtsgerichteten Jugendlichen» und Ausländern. «Diesen Graben spüren wir in der täglichen Polizeiarbeit sehr deutlich.»
«Was uns Angst macht, sind nicht die Neonazis», meinte auch der Streetworker Thomi Jourdan, «sondern die Tatsache, dass sich Jugendgruppen zunehmend über ethnische Grenzen definieren.» Und zwar nicht nur die Schweizer, sondern auch die Ausländer. Doch die Politik reagiere erst, wenn die Konflikte eskalierten. Nur SVP-Nationalrat Christian Miesch war anderer Meinung: Den Zahlen von Kassis, meinte er trotzig, glaube er nicht.
Kein Jugendproblem. Zum einen seien viele gewaltbereite Menschen in schlechten familiären Situationen aufgewachsen oder in der Schule ausgegrenzt worden, sagte Kassis. Es brauche aber auch ein gesellschaftliches Umfeld, das ausländerfeindliche Ideologien bereitstelle. Deshalb sei der Rechtsextremismus bei den Jungen stets auch ein Spiegel der Erwachsenenwelt.
Dies war ein Ball, den Nationalrat Claude Janiak (SP) aufgriff: «Wenn wir sehen, wie die Debatte über Einbürgerungen geführt wurde, müssen wir uns nicht wundern, wenn sich bei den Jungen ausländerfeindliche Einstellungen verbreiten», meinte er. Kassis wiederum betonte, dass dies viel zu einfach sei. Die Liestaler Stadtpräsidentin Regula Gysin setzte auf das Gespräch. Es sei wichtig, dass die Erwachsenen nicht wegschauten. Dieter Bongers von der Anlaufstelle für Rechtsextremismus bezeichnete es schon als grossen Erfolg, «wenn sich die Jugendlichen im Rahmen der Gesetze bewegen».