Auflösung der rechtsextremen Pnos. Sie hassten die Ausländer – und die SVP

Sonntagszeitung.

Die letzte völkische Partei der Schweiz ist Geschichte. Das Archiv der Mitgliederzeitschrift bietet einen Einblick in ihre Gedankenwelt – mit einigen Überraschungen.

Der Höhepunkt des Parteijahres war – wenig überraschend – immer der 1. August: Dann zogen jeweils einige Dutzend Männer und Frauen mit Fahnen auf das Rütli, hoben ihren Arm mit drei ausgestreckten Fingern – eine Kombination aus Hitlergruss und Rütlischwur – und freuten sich darüber, wenn sich die Medien empörten. 2005 schrien sie den damaligen Bundespräsidenten Samuel Schmid bei seiner Rede nieder, was als «Schande vom Rütli» für nationale Schlagzeilen sorgte. Es war der grösste Coup in der Geschichte der Partei National Orientierter Schweizer (Pnos), die diese Woche nach 22 Jahren ihre Auflösung bekannt gab.

Ansonsten nahm die Öffentlichkeit die Gruppierung vor allem dann zur Kenntnis, wenn wieder ein Mitglied durch antisemitische und fremdenfeindliche Ausfälle in die Schlagzeilen geriet. Über das Innenleben war kaum etwas bekannt. Einen Einblick in diese Parallelwelt bieten vor allem die Mitgliederzeitschriften «Der Zeitgeist» (bis 2011) und «Harus» (ab 2011) . Im Schweizerischen Sozialarchiv in Zürich sind die letzten zwölf Jahrgänge archiviert. Die drei überraschendsten Erkenntnisse.

1. Der politische Hauptgegner heisst SVP

Die Pnos ist nicht durch eine zurückhaltende Wortwahl bekannt. Doch in der Zeitschrift wird fast nie gegen die Linken geschossen, wie man das von einer rechtsextremen Partei erwarten würde – dafür umso mehr gegen die «pseudonationale SVP». 2010, als die Volkspartei gegen die Einwanderungswelle aus Deutschland und insbesondere die deutschen Professoren an Schweizer Unis mobilmachte, empörte sich die Pnos: «Wieder einmal hat die SVP eine Breitseite an die Adresse der Deutschen abgefeuert.» Ihre deutschen Gesinnungsgenossen seien «verbittert» über die SVP.

Die Wut auf die SVP offenbart sich vor allem in der Wirtschaftspolitik. Die Pnos moniert, dass sich die «kapitalistische» SVP für die Einwanderung von Hochqualifizierten ausspreche. Dies zeige, dass es ihr nicht um den Erhalt des «weissen Europa» gehe, beziehungsweise der «biokulturellen Identität», sondern nur um Profit. Auch mit ihrer Haltung zu Israel stösst die SVP bei der Pnos auf wenig Verständnis. «Dass einige SVP-Exponenten sehr israelfreundlich und pro-jüdisch eingestellt sind, ist kein Geheimnis.»

Die ständigen Attacken dürfte vor allem eine Ursache gehabt haben: Die Pnos machte die SVP dafür verantwortlich, dass sich die «wahren nationalen Parteien» wie die Pnos in der Schweiz nicht durchsetzen konnten.

2. Gegen den Kapitalismus

Wäre da nicht die fremdenfeindliche Grundkomponente, könnten viele Artikel aus den Pnos-Magazinen auch aus links-autonomen Heften stammen. Zum Beispiel die zwei Titelgeschichten «Kapitalismus abschaffen» und «Konsumwahn – Verzicht als Alternative?». Für die Pnos sind Globalisierung und Kapitalismus die Wurzeln fast aller Missstände. Das zeigen allein schon die Überschriften von Artikeln wie «Alternativen zur Globalisierung», «Nahrungsmittel und Spekulation» oder «Plädoyer gegen weihnächtlichen Konsumterror».

Auch die Migration sei eine Folge des Kapitalismus. Der stete Zustrom an billigen Arbeitskräften diene der Profitmaximierung, Leidtragende seien die einheimischen Büezer. Die vorherrschende «Wachstumsideologie» und das System der Notenbanken sorgten für eine «Umverteilung von unten nach oben».

Der Kampf gegen das globalisierte Wirtschaftssystem stand für die Pnos auf der Prioritätenliste sogar auf gleicher Stufe wie der Kampf gegen die angebliche Islamisierung: «Wir müssen uns (…) immer vor Augen halten, dass eine Moschee nicht schlimmer ist als ein riesiger Einkaufstempel, dass eine Dönerbude nicht schlimmer ist als ein McDonald’s, dass eine Burka nicht schlimmer ist als die grellfarbige Kluft aus Übersee.»

Weniger überraschend sind die vielen Beiträge zur Familienpolitik, die sich klar ins rechtskonservative Spektrum einordnen: «Solange die Regierung, die Wirtschaft und die Medien mit ihrer abstrakten Gleichheitsideologie die traditionelle Familie auf dem Scheiterhaufen der Geschichte brennen sehen möchten, wird sich weder die Scheidungsrate noch der Wertezerfall und die Folgekosten der geschädigten Kinder eindämmen lassen.» Auch die staatliche Kinderbetreuung sei ein kapitalistisches Werkzeug: Die Frauen würden damit für den Profit der Wirtschaft wieder in den Arbeitsprozess eingespannt.

3. Klage über die eigene Erfolglosigkeit

Laut Eigenangabe hatte die Pnos 2011 «weniger als 200 Mitglieder und ein Dutzend Aktivisten». Ein Wachstum sei seit Jahren «zu keiner Zeit erkennbar», hiess es in den damaligen Magazinen nüchtern. Externen Schätzungen zufolge war die Mitgliederzahl nie höher als 300. Zu den besten Zeiten gab es zwar elf Kantonalsektionen, die Wähleranteile blieben aber meistens im Mikrobereich. Immerhin schaffte es 2004 ein Pnos-Vertreter in den Stadtrat von Langenthal BE, 2005 einer in den Gemeinderat von Günsberg SO.

Die notorische Erfolglosigkeit wird in der eigenen Zeitschrift oft beklagt. «Die Schweizer sind alle sattgefressen – und ein sattgefressenes Volk wehrt sich nicht, geschweige denn rebelliert gegen die Missstände in diesem Land», hiess es zum Beispiel 2014. Zwei Jahre später war der Frust so gross, dass sogar die Sinnfrage gestellt wurde: «Tatsache ist, dass sich die Stimmberechtigten ständig in Abstimmungen gegen unser Vaterland, gegen unsere Kultur und Identität entscheiden. (…) Bei so vielen Ignoranten und vaterlandslosen Unwissenden stellt sich einem die Frage: Was tue ich hier eigentlich noch?» Entsprechend oft sind Durchhalteparolen zu lesen: «Der Kampf gegen die Internationalisten und Volksverräter muss weitergehen.»

Doch dies nützte nichts mehr – die Partei ist heute Geschichte. Dass letztes Jahr im «Harus» noch Auszüge aus den «Protokollen der Weisen von Zion» abgedruckt wurden, einem der schlimmsten antisemitischen Machwerke, kann als letzte Zuckung gedeutet werden. «Altes und somit marode Gewordenes gehört abgestreift», schrieb Präsident Florian Gerber laut «Blick» diese Woche zum Abschied an die übrig gebliebenen Mitglieder. Die Ideologie wird mit dem Ende der Pnos aber nicht verschwinden. Neue Gruppierungen mit ähnlichen Zielen – zum Beispiel die «Junge Tat» – haben sich längst in Stellung gebracht.