Wochenzeitung. Der «Extremismusexperte» Samuel Althof hat den Kompass verloren – und verharmlost die rechtsextreme Gruppe Junge Tat.
Alles begann mit einem Tweet, der unverfänglich gewesen wäre, hätte ihn sein Absender nicht unter einem Posting der Jungen Tat abgesetzt. «Fitness ist immer gut und Boxen ist ein taktisch spannender Sport», kommentierte Samuel Althof am 5. April einen Flyer der rechtsextremen Gruppierung. Ein Flyer, mit dem diese Interessierte zum Boxtraining einlädt – PR auf Neurechts.
Samuel Althof gilt seit Jahren als der Extremismusexperte der Schweiz schlechthin. Der Psychiatriepfleger und psychologische Berater aus Basel hat sich vor allem durch seine Arbeit mit Aussteiger:innen einen Namen gemacht. Spielen im Toggenburg Neonazi-Bands, wählen Journalist:innen seine Nummer. Werfen in Zürich Linksradikale Scheiben ein, darf Althof seine Einschätzung abgeben. Doch die fällt zunehmend fragwürdig aus.
Gefährliche Schlagseite
In der NZZ sagte Althof nach den Reclaim-the-Streets-Krawallen Anfang April: «Wenn man achtzig Molotowcocktails in einem besetzten Haus bereitstellt, denkt man nicht daran, was eine Brandwunde einem Menschen zufügen kann.» Woher er Kenntnis von angeblichen autonomen Waffenlagern hat, verriet er nicht. Der Linksextremismus sei sehr gut organisiert und vernetzt, führte er weiter aus. Die Junge Tat dagegen sei «eine an sich bedeutungslose Marke», die von den Medien hochgespielt werde. «Tatsache ist: Wir haben in der Schweiz kein Pflaster, auf dem sich Rechtsextremismus strukturell verfangen kann.»
Althofs Analysen, die von vielen Medien unkritisch übernommen werden, haben eine gefährliche Schlagseite: Er befeuert das Schweizer Selbstnarrativ, wonach es in diesem Land keine Faschist:innen und damit auch keine organisierten rechtsextremistischen Strukturen gebe. Und er leistet der «Hufeisentheorie» Vorschub, wonach Links- und Rechtsaussen zwei gleichermassen gefährliche «Extreme» seien.
Doch wie weit hat sich Althof verirrt? Auf Twitter offenbarten sich nun Abgründe. Für den Kommentar, den er unter das Posting der Jungen Tat setzte, kritisierte ihn auf der Social-Media-Plattform eine Aktivistin des antifaschistischen Recherchekollektivs Betonmalerinnen: Althof begebe sich damit in «bedenkliche» Nähe zu den «Neonazis».
Statt sich zu erklären, reagiert Althof mit einer Grenzüberschreitung: Er outet die Aktivistin, die unter einem Pseudonym schreibt – indem er sie auf Twitter mit Vornamen anspricht. Althof, der ansonsten mitteilt, er habe mit der WOZ «nichts zu besprechen», weist den Outing-Vorwurf als «absurd» zurück; er habe ja nur den Vornamen benutzt. Doch trotz des entsprechenden Wunsches der Aktivistin, die nun fürchtet, von Rechtsextremen identifiziert werden zu können, weigert er sich, den Tweet zu löschen. Und teilt ihr stattdessen mit, dass er bei seiner Präventionsarbeit künftig auch auf die Betonmalerinnen fokussieren werde.
Harmloses Image
Gleichzeitig verteidigt Althof auf Twitter seine Kontakte zur Jungen Tat: Er tausche sich mit der Gruppierung aus, denn diese sei zwar rechtsextrem, ihre Mitglieder aber keine Neonazis. Althof spielt so der Jungen Tat in die Hände, die sich selbst als Gruppe harmloser Patrioten darstellt – trotz Vorstrafen wegen Rassendiskriminierung und Einbindung ins internationale Neonazi-Netzwerk. Unter einem dieser Tweets markiert Althof auch den rechten Journalisten David Klein. Klein arbeitet unter anderem für die Schwurbler:innenzeitung «Die Ostschweiz» und für die «Weltwoche». Und beginnt nun zu recherchieren. Seine Geschichte: «Die Zusammenarbeit der Schweizer Medien mit linksextremen Journalist:innen». Der WOZ liegen E-Mails vor, in denen Klein entsprechende Fragen an eine Journalistin der «Basler Zeitung» richtet, die mit den Betonmalerinnen im rechtsesoterischen Milieu recherchiert hat.
In diesen Mails benutzt Klein den vollen Namen der Aktivistin. Von wem er ihn hat, sagt er nicht. Klar ist: Althof hat Klein den Anstoss für die Geschichte gegeben. Der «Extremismusexperte» nimmt also in Kauf, dass Antifaschist:innen rechter Hetze ausgesetzt werden.
Auf der Website seiner «Fachstelle Extremismus und Gewaltprävention» legitimiert sich Althof übrigens über gewichtige Kooperationen: Er gibt etwa die Fachstelle für Rassismusbekämpfung des Bundes und das Bundesamt für Polizei (Fedpol) als «Partner» an. Beide schreiben auf Nachfrage, es bestünde derzeit keine Zusammenarbeit. Das Fedpol schreibt gar: «Wir haben den Betreiber der Website aufgefordert, den Eintrag zu entfernen.»