Auch Demonstranten haben Rechte

Neue Luzerner Zeitung

«Eine Behörde kann eine Demonstration oder Kundgebung nicht einfach so verbieten.»

PETER GANDER, STAATSSCHREIBER

Zur rechtlichen Seite bei Kundgebungen äusserten sich am Dienstagabend in Schwyz Staatsschreiber Peter Gander und Staatsanwalt Benno Annen. Beide sprachen auf Einladung des Regierungsrats beim alljährlichen Treffen mit den kantonalen Medien im Schwyzer MythenForum. Dabei erklärten beide Redner, sie äusserten sich allgemein zum Thema und nicht etwa zur aktuellen Ablehnung des linken Kundgebungsgesuches in der Gemeinde Ingenbohl-Brunnen (siehe oben).

Meinungsäusserungsfreiheit

Zunächst legte Staatsschreiber Gander die Rechte der Demonstranten dar: «Eine Behörde kann eine Demonstration oder Kundgebung nicht einfach so verbieten.» Gander verwies auf die Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit. «Der Bürger hat das Recht, die eigene Auffassung frei zu äussern und sich zu diesem Zweck mit Gleichgesinnten zusammenzutun.» Nach bundesgerichtlicher Rechtssprechung sei es sogar so, «dass die Organisatoren einer Demonstration unter gewissen Voraussetzungen einen Anspruch darauf haben, dass ihnen ein öffentlicher Platz oder eine öffentliche Strasse zur Verfügung gestellt werden. Und sie haben auch das Recht, dass sie gegen Dritte, welche diese Demo stören wollen, geschützt werden. Und zwar unabhängig davon, ob der Behörde passt, was hier manifestiert wird. Eine Demo, ob von links oder rechts, kann nicht so ohne weiteres verboten oder mit Polizeigewalt unterbunden werden. Vielmehr braucht es dazu ganz bestimmte Voraussetzungen. Die sind dann da, wenn eine ernste Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung droht, die man nicht durch ein Verbot abwenden kann.» Laut Gander findet das Demonstrationsrecht seine Grenzen auch im Strafrecht.

Rassendiskriminierung?

Zur strafrechtlichen Seite im Umfeld von Kundgebungen sprach Staatsanwalt Benno Annen. «Das Strafrecht kommt erst zum Zuge, wenn effektiv strafbare Handlungen ausgeführt wurden oder ein Versuch dazu vorliegt», sagte Annen. Im Zusammenhang mit den Auftritten von Rechtsextremen in Brunnen stelle sich immer wieder die Frage, ob hier der Tatbestand der Rassendiskriminierung vorliege. «Damit ein Verstoss strafrechtlich relevant wird, muss es sich grundsätzlich um einen schweren Verstoss gegen die Menschenwürde handeln», sagte der Staatsanwalt.

Bei den Aufmärschen in Brunnen werde vor allem diskutiert, ob sie den Tatbestand der verbotenen öffentlichen Verbreitung rassistischer Ideologien und rassenfeindlicher Propaganda erfüllen. «Rechtsextreme Gesinnung fällt nicht unter das Gesetz. Sie ist straflos.» Das öffentliche Tragen einer Hakenkreuzarmbinde kennzeichne wohl eine Ideologie, die auf systematische Herabsetzung gewisser Gruppen gerichtet ist.

«Es ist darum nicht strafbar, wenn der Täter nur mit einer Hakenkreuzarmbinde durch die Gegend streicht», führte Annen weiter aus. «Ein Verbreiten der Ideologie braucht mehr, ein eigentliches Werben oder Propagieren.» Anders sieht es für den Staatsanwalt aus, «wenn eine Gruppe Hakenkreuzträger im Marschschritt durchs Dorf zieht. Damit beabsichtigt die Gruppe, die Nazi-Ideologie an die Frau oder an den Mann zu bringen.»

Im Gegensatz zum Hakenkreuz sage die Rechtslehre, dass der Hitlergruss bereits ein werbendes Verbreiten, eine Propagandamassnahme ausmachen könne, «sofern der Angegrüsste die Ideologie des Nazitums nicht teilt». Mit dem Gruss gehe der Täter bewusst auf den Angegrüssten zu und werbe damit.

Nazi-Ideologie verbreitet

«So weit auf dem Rütli in grosser Gruppe der Frontistengruss mit ausgestrecktem Arm mit Erheben der drei Schwurfinger demonstriert und zwei Frontistenfahnen zur Schau gestellt wurden, dürfte ein Verbreiten der frontistischen und damit der nationalsozialistischen Ideologie angenommen werden können», so Annen. Anders als sein für das Rütli zuständiger Urner Kollege sah der Schwyzer Staatsanwalt am 1. August 2005 auf dem Rütli strafbare Handlungen der Kundgebungsteilnehmer.

Zum anschliessenden Aufmarsch mehrerer hundert Rechter in Brunnen sagte Annen: «Der Auftritt der Gruppe von der Schifflände zum Bahnhof kann nicht als Nazi-Demonstration wahrgenommen oder verstanden werden. Eine Demonstration beinhaltet einen ausgeprägten Appell an die Öffentlichkeit. Einen solchen Appell nazistischer Art kann der Zug zum Bahnhof nicht darstellen.» Allerdings kam es in Brunnen zu anderen Verstössen gegen das Strafrecht. Darum laufen in Schwyz laut Annen derzeit gegen 13 Personen Strafverfahren.BERT SCHNÜRIGER