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Die Soziologin Dr. Nkechi Madubuko erklärt, wie weltoffene Erziehung gelingt – und was von Ausgrenzung betroffenen Kindern hilft.
Eltern wünschen ihren Kindern, dass sie ein erfolgreiches und ausgefülltes Leben haben, ihnen alle Wege offenstehen und sie sich akzeptiert fühlen. Dieses Gefühl sollte nicht nur der eigenen Familie, sondern allen Menschen zustehen.
Dr. Nkechi Madubuko ist Nigerianerin, in Deutschland geboren und aufgewachsen, Mutter dreier afrodeutscher Kinder, Soziologin und Diversity-Trainerin. Im Gespräch gibt sie Tipps für Eltern, die eine weltoffene Erziehung pflegen wollen, und Inputs für Betroffene, deren Kinder rassistische Erfahrungen machen.
Frau Dr. Madubuko, wie unterstütze ich mein Kind dabei, ein offenes, tolerantes Wesen zu werden?
Als erstes sollte ich mir selber über meine eigenen Vorurteile und blinden Flecken bewusst sein, damit ich meinem Kind möglichst wenige weiter gebe. Das Kind braucht ein Verständnis dafür, dass Menschen verschiedene Hautfarben, Sprachen, Herkünfte und Religionen haben. Diesen Unterschieden sollte in der Familie nicht mit Abwertungen, sondern Respekt begegnet werden.
Wie klappt das?
Indem man über Vielfalt am Familientisch wertschätzend spricht. Ermögliche deinem Kind, einen möglichst menschlichen und keinen hierarchischen Blick aufzubauen. Verzichte auf stereotypische Beschreibungen und Verallgemeinerungen, wie: Christen sind besser als Muslime, körperlich müssen alle gesund sein oder Menschen aus bestimmten Regionen sind tendenziell kriminell. Versuche, neben all den Unterschieden auf Gemeinsamkeiten hinzuweisen. Je früher man anfängt, Kinder mit unterschiedlichen Sprachen und Religionen wertschätzend in Kontakt zu bringen, sie ihnen zu erklären und ihnen die Möglichkeit gibt, Fragen zu stellen, desto besser.
Ab wann beginnen Kinder, unterbewusst oder bewusst andere Menschen zu bewerten?
Ab dem neunten Lebensmonat erkennen Kinder Hautfarben. Etwa ab drei Jahren beginnen sie, ganz aktiv die Welt zu erkunden, registrieren unterschiedliche Sprachen und merken, dass es Mädchen und Jungen gibt oder Menschen, die im Rollstuhl sitzen. Sie lernen von Erwachsenen genauso wie von Medien und beobachten ganz genau, welche Worte für Menschen benutzt werden und welche für andere nicht. Sie sehen, welche Hautfarben Superhelden in Kinderbüchern haben und welche Haarfarbe Prinzessinnen zugeordnet wird. Im Kindergartenalter lernen sie anhand der Kommentare von Erziehern und Erzieherinnen, vorhandener Spielzeuge und Rückmeldungen zu ihrem Verhalten, welche Merkmale anerkannt und damit machtvoller sind als andere.
Mein Kind zeigt auf ein Mädchen mit Kopftuch. Wie reagiere ich?
Erkläre ihm, dass das unhöflich ist. Wecke die Neugierde des Kindes, zeige ihm Bücher anderer Länder und erzähle ihm, dass es fünf verschiedene Weltreligionen gibt. Gib deinem Kind Informationen, zum Beispiel so: «In den 50er-Jahren haben Schweizerinnen und Deutsche auch oft Kopftücher getragen. Wir haben eine Religionsfreiheit, das Mädchen hat per Grundgesetz das Recht, ihre Religion auszuüben. Sie schränkt dich damit überhaupt nicht ein. Sie kann auch mit Kopftuch prima schaukeln und mag vielleicht auch gerne Schokolade. Wollen wir sie fragen?».
Ein Kind kommt mit Tränen nach Hause, weil es nicht mitspielen darf. Was tun?
Das Kind muss wissen, dass es mit jeder Geschichte nach Hause kommen darf. Nicht jedes Kind erzählt von sich aus, es ist deshalb wichtig, dass man nachfragt, wenn das Kind bedrückt ist oder zum Beispiel immer vor dem Turnunterricht Bauchweh bekommt.
Und dann?
Wenn man herausgefunden hat, was vorgefallen ist, gilt es die Verursacher zu kontaktieren – die Lehrerinnen oder Erzieher anzusprechen und ein Gespräch zu suchen. Mache dir klar, wie viel Mut das Kind aufgebracht hat. Das Wichtigste ist einzugreifen, weil das Kind das nicht allein kann. Es verinnerlicht sonst Gedanken wie «Mit mir kann man das machen, ich muss das aushalten» oder «Ich bin halt weniger wert.»
Welche Ressourcen gibt es für Eltern, die selber jahrelang Rassismus erfahren haben?
Die Ohnmacht, die man selber erlebt hat, an den eigenen Kindern zu sehen, ist eine doppelte Strafe. Umgebe dich mit Menschen, die sich gegen Rassismus positionieren, bestärke dein Kind, auch wenn es unendlich Kraft kostet. Dein Kind hat das Recht, diskriminierungsfrei aufzuwachsen. Jede Institution oder jeder gesellschaftliche Kontext, in dem das Kind sich bewegt, sollte das vor Augen haben.
Dr. Nkechi Madubuko ist Autorin verschiedener Bücher und Guidelines, unter anderem von «Empowerment als Erziehungsaufgabe» und «Erziehung zur Vielfalt». Als Trainerin gibt sie Workshops zu ihren Schwerpunkten für Eltern und Lehrkräfte.