Antifaschistischer Abendspaziergang

BernerZeitung

Rechte marschiert, Linke spaziert

1500 Personen haben am Samstagabend am zweiten «Antifaschistischen Abendspaziergang» in Bern teilgenommen. Die Demo gegen die wachsende Szene von Rechtsextremen verlief friedlich.

u Pascal Schwendener

«Aus der Dusche kommt Gas. In den Öfen brennen Menschen. Die Fabriken produzieren nicht, sie vernichten.» Die Sätze hallen vom Lautsprecherwagen über den Platz vor der Heiliggeistkirche, wo sich am Samstagabend gut 1500 Leute zum zweiten «Antifaschistischen Abendspaziergang» zusammengefunden haben, um gegen Rassismus und rechte Gewalt zu demonstrieren. Der Anlass hat eine traurige Aktualität: Eben erst hat die Kantonspolizei Bern ihre Kriminal-statistik veröffentlicht, worin sie von einem Anwachsen der rechtsextremen Szene um 50 Prozent spricht. 180 aktive braune Extremisten zählt sie auf Kantonsgebiet. «Es ist an der Zeit, Widerstand zu leisten», fordert die Frauenstimme aus dem Megafon: «Damit das, was in Europa vor 60 Jahren geschah, nie mehr geschehen kann.» Dann setzt Musik ein.

Glas klirrt, Fäuste fliegen Nachdem die vornehmlich jugendlichen Demonstranten den öffentlichen Verkehr beim Bahnhof eine halbe Stunde lahm gelegt haben, begeben sie sich um 21 Uhr Parolen skandierend auf die angekündigte Route durch die Schauplatzgasse via Bärenplatz und Zeughausgasse Richtung Rathaus. Fahnen in Schwarz und Rot flattern im Wind, Fäuste schnellen in die Luft. Neben Bierfläschchen und Spraydosen führen vereinzelte Leute auch Schlagstöcke mit sich. Aber alles bleibt ruhig. Wie versprochen setzen die Organisatoren des «Bündnis gegen rechts» alles daran, damit die unbewilligte Kundgebung friedlich verläuft. Bis auf ein kurzes Handgemenge vor der Tübelibar verläuft die Manifestation denn auch ohne Zwischenfälle. «Einige Sprayereien, zwei kaputte Schaufensterscheiben und ein abgebrochener Merzedesstern, dass sind die einzigen entstandenen Schäden», wird Polizeisprecher Franz Märki am Schluss der Demo bilanzieren: «Peanuts.» Eine Hand voll vermummter Demonstranten führt den Zug an. Ein halbes Dutzend schwarzer Helme hinter weissem Transparent. Vor dem Rathaus treffen sie auf ein gutes Dutzend weisser Helme hinter Schildern. Bis auf dieses kleine Aufgebot Grenadiere hält sich die Polizei jedoch auffallend zurück. Einzig vor dem Bundeshaus steht noch eine Gruppe Uniformierter bereit. Doch der Schein fehlender Polizeipräsenz trügt: «Im Hintergrund haben wir ein Grossaufgebot an Sicherheitskräften bereitgestellt», sagt Polizeisprecher Märki: Der Grund dafür liege allerdings nicht allein bei den linksautonomen Stadtbummlern. «Wir haben gleichzeitig Aktivitäten von Rechtsradikalen festgestellt», erklärt Märki. Autonome, Skinheads und dazu ein ansehnliches «Gewaltpotenzial» beim Match SCB – Lugano im Wankdorfstadion. Die Situation in Bern ist an diesem Abend äusserst delikat, die Polizei auf alles gefasst.

Skinheads angehaltenDurch Kram- und Amthausgasse gelangen die antifaschistischen Spazierer zur Schlusskundgebung auf den Bundesplatz. 3000 Personen sind es laut Communiqué der Organisatoren, die der letzten Ansprache gegen das Staatswesen lauschen. Die Rednerin schlägt militante Töne an. Sie schliesst: «Schlagt die Faschisten, wo ihr sie trefft!» Doch sie treffen sie nicht. Allen Gerüchten und Befürchtungen entgegen, kommt es zu keiner Gegendemonstration wie beim ersten Abendspaziergang im vergangenen Jahr. Damals, am 22. Januar, wollten 250 rechte Störer die 800 linken Demonstranten angreifen. 100 Skinheads mussten von der Polizei abgeführt werden, um eine blutige Auseinandersetzung zu verhindern. Nichts Vergleichbares passiert an diesem Wochenende. «Wir haben lediglich diverse Personen aus dem rechten Lager angehalten», sagt Medienchef Franz Märki. Zu Festnahmen sei es indes nicht gekommen. Die befürchteten Scharmützel im Anschluss an die Manifestation bleiben aus. Um 22.30 Uhr löst sich die Demo mit anschliessendem Abmarsch in die Reithalle auf. Am Ende mahnt nur noch ein Transparent mit der Aufschrift: «Antifaschismus ist Alltag. Nicht nur heute.»