PRÄVENTION / Der Bund hat im letzten Jahr 40 Anti-Rassismus-Projekte mit insgesamt 2,3 Millionen Franken unterstützt – von Anlaufstellen über Lehrmittel bis zu Theaterprojekten. Das Geld stammt aus dem neuen Fonds gegen Rassismus und für Menschenrechte.
? JÜRG SOHM
Zum Beispiel SOS Racisme in Lausanne: Unter der Gratisnummer 0800 55 44 43 finden jene ein offenes Ohr, die Opfer oder Zeugen von rassistischen Vorfällen geworden sind. Zwischen 15- und 30-mal am Tag gibt das kleine Lausanner Team am Telefon Auskunft. Ein bis zwei dieser Anrufe führen zu vertieften Abklärungen und in den allermeisten Fällen zu Schlichtungsversuchen. Nur in einem Prozent aller Fälle würden strafrechtliche Schritte unternommen, sagt Karl Grünberg von der «Association romande contre le racisme» (Acor), die SOS Racisme betreibt. Dennoch geht es bei den Anrufen meist um weit mehr als um Bagatellen: Bis die Opfer endlich den Griff zum Telefon wagen, sind sie laut Grünberg oft monatelangen Erniedrigungen, beispielsweise durch Arbeitskollegen oder Nachbarn, ausgesetzt. Die Organisation ist die einzige zentrale Auskunftsstelle zu rassistischer Diskriminierung in der Schweiz. Und sie ist bisher nur auf die Romandie beschränkt. Mehr zu leisten wären die vier Personen, die sich in 2,6 bezahlte Stellen teilen, auch gar nicht im Stande. Unterstützt wird die Stelle unter anderem von den Kantonen Genf und Waadt, von der Westschweizer Lotterie und von der Stadt Lausanne.
Doch letztes Jahr gab es erstmals auch Geld vom Bund. SOS Racisme ist eines von insgesamt 40 Projekten, die aus dem neu geschaffenen Fonds gegen Rassismus und für Menschenrechte finanzielle Unterstützung erhalten haben. Als Folge des Flüchtlingsberichts der Bergier-Kommission hatte der Bundesrat vor einem Jahr beschlossen, mit dem Fonds ein Zeichen gegen Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit zu setzen. In den Jahren 2001 bis 2005 sind insgesamt 15 Millionen Franken für Bildungs- und Präventionsprojekte sowie zum Auf- und Ausbau von Anlauf- und Beratungsstellen reserviert. Im ersten Jahr hat das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) den 40 Projekten total 2,3 Millionen Franken zugesagt, wie EDI-Generalsekretärin Claudia Kaufmann gestern vor den Medien sagte. Der Bedarf sei mit 175 eingegangenen Projekten und einem Volumen von 13 Millionen Franken indes weit höher gelegen.
Im Kanton Bern wird unter anderem das neue Oberstufen-Lehrmittel «Achtung Verachtung» unterstützt, das Jugendliche mit verschiedenen Unterrichtsmaterialien für die Themen Rassismus und Rechtsextremismus sensibilisieren will. Unterstützung erhalten weiter das Theaterprojekt «amtlich geduldet», der Berner Jugend-Zukunftsrat und die Veranstaltung «klartext – Jugendkultur gegen Rassismus».
«Anschubfunktion»
Auffällig wenig Gesuche waren aus der Ost- und der Zentralschweiz sowie dem Tessin eingegangen. Ausgerechnet dort ist das insgesamt lückenhafte Schweizer Hilfsnetz besonders schlecht geknüpft, wie die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus Anfang Monat festgestellt hat. Nicht von ungefähr hat der Bundesrat bestimmt, einen Viertel der Fondsgelder für den Aufbau eines landesweiten Netzes von Beratungsstellen für Opfer rassistischer Diskriminierung und für Hilfe in Konfliktsituationen zu reservieren. Ob das Geld aus der Fonds-Giesskanne dazu genügt, ist fraglich. Doch Claudia Kaufmann verspricht sich davon eine «Anschubfunktion» mit dem Ziel, dass sich Kantone und Gemeinden in Zukunft mehr engagieren als heute.