Anti-Rassismus-Demo: Festnahmen

SonntagsZeitung

Die Kundgebung gegen Rechtsextremismus in Liestal ging knapp an einerEskalation vorbei

Liestal – Als die über tausend Demonstranten vor dem Liestaler Rathaus zumSchlussapplaus ansetzten, war für die Organisatoren die Welt wieder in Ordnung.«Je mehr Distanz ich zu den Ereignissen kriege, desto zufriedener bin ich», erklärteAndreas Marin vom Komitee «Liestal schweigt nicht». Eine Stunde zuvor war die bisdahin sehr friedlich verlaufene Demonstration gegen Rassismus undRechtsradikalismus durch einen Zusammenstoss zwischen Autonomen und Polizeiunterbrochen worden. Erst als der Baselbieter Regierungspräsident AndreasKoellreuter die sofortige Freilassung von vier angehaltenen Autonomen zusicherte,beruhigten sich die Gemüter.

Mitorganisator Andreas Marin kritisiert den Polizei-Einsatz
Zu den vorübergehenden Festnahmen kam es gestern am Stadttor, derEingangspforte zur Altstadt, als eine Sondereinheit vermummte Demonstranten ausder marschierenden Menge reissen wollte. Im darauf folgenden Handgemengewurden eine Frau von einem Polizeihund in den Oberarm gebissen und vierAutonome angehalten. «Die Bullen zerrten meinen Freund raus. Da warf ich michdazwischen. Wir waren nicht sehr zärtlich zueinander», schildert der 20-jährigeDaniel P. aus Basel seine Festnahme.

Die Folge waren «Haut ab, haut ab»-Rufe aus dem Demonstrationszug undKonsternation bei den Organisatoren: «Die Lage hätte eskalieren können», sagtAndreas Marin und kritisiert den Einsatz der Uniformierten: «Die Polizisten inKampfmontur und mit vermummten Gesichtern, in unmittelbarer Nähe derDemonstranten, waren eine Provokation für die Autonomen. Dabei war klarvereinbart, dass sich diese Polizisten nicht blicken lassen würden.» Für BarbaraUmiker, Sprecherin der Baselbieter Justiz-, Polizei- und Militärdirektion, war derEinsatz jedoch verhältnismässig: «Wir dulden keine störenden Elemente, weder vonlinks noch von rechts.»

Ein Grossaufgebot von 238 Polizisten aus fünf Kantonen unterstrich gestern dieseDoktrin. Damit sollte eine Konfrontation mit Rechtsextremen verhindert werden. DennK., Baselbieter Mitglied der Skinhead-Organisation Blood &Honour, wollte gesternebenfalls eine Demonstration durchführen. Sein Gesuch wurde aber abgelehnt.Unbeantwortet ist die Eingabe für eine Kundgebung in Liestal in zwei Wochen mitSkinheads aus allen Organisationen und Landesteilen.

Dass sich gestern Nachmittag nur einzelne Spähtrupps der Skinheads blickenliessen und der befürchtete Aufmarsch ausblieb, spiegelt das momentane Verhaltender rechten Szene. In Anbetracht der drohenden härteren Gangart der Polizei unddem Bestreben nach politischer Salonfähigkeit (siehe Kasten) befindet sie sich inLauerstellung. Der öffentliche Druck zeigt Wirkung.

Und gestern wurde der Druck durch die zahlreich erschienenen, meist jungenDemonstranten und den prominentesten Gastredner, Alt-Bundesrat Otto Stich,unterstrichen: «Aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg weiss ich, was es bedeutet,wenn ein Land von Rechtsextremen beherrscht wird und Menschenrechte nichtsmehr gelten», erklärte Stich.

Reaktion auf den Skinhead-Aufmarsch vom 17. August: Junge Demonstrantengestern in Liestal Foto: Markus Stuecklin/Keystone
Neue Nazi-Partei
Im Raum Liestal befindet sich eine neue rechtsextreme Partei im Aufbau: die Parteinational orientierter Schweizer (PNOS). Seltsam daran: Deren Präsident K. istebenfalls Vorsitzender der am 3. Mai neu gegründeten Nationalen Partei Schweiz(NPS). K., der im Kanton Basel-Landschaft wohnt und der Skinhead-OrganisationBlood&Honour angehört, will sich zur Parteigründung nicht äussern. Es sei noch zufrüh, mit der PNOS an die Öffentlichkeit zu treten, teilt er der SonntagsZeitung mit. DieBundespolizei (Bupo) hat von der PNOS-Gründung Kenntnis, misst ihr derzeit aberkeine Bedeutung zu und will deren Aktivitäten vorerst nur aus Distanz beobachten,wie ein Bupo-Sprecher erklärt.