Neue Luzerner Zeitung vom 12.06.2009
Schlachtjahrzeit Sempach
Heute wird entschieden, ob die Demo der Juso an der Schlachtjahrzeit Sempach bewilligt wird. Am Mittwoch zeigte sich erneut: Die Sache ist hochumstritten.
Pirmin Bossart
Eine Viertelstunde nach Beginn der Diskussion in der Festhalle Sempach stiessen zehn Rechtsextreme zum Publikum, das sich damit auf rund 40 Personen vergrösserte. Vorne diskutierten zwei Vertreter der Sempacher Behörden, ein Rechtsextremismus-Experte und zwei Vertreter der Juso (Leitung Beat Vogt, Radio DRS). Trotz einer gewissen Spannung im Raum blieb die Veranstaltung friedlich.
Ausgangslage war die Demonstration, welche die Juso als Protest gegen das Gedankengut der Rechtsextremen an der nächsten Schlachtjahrzeit am 27. Juni machen will. Die Juso musste dazu ein Sicherheitskonzept einreichen. «Warum müssen das die Rechtsextremen nicht tun?», fragte eine Frau aus dem Plenum. Einfach deshalb, weil sie an der Feier mitmarschierten, also Teil der Veranstaltung seien, klärte Stadtpräsident Franz Schwegler auf.
Jahrelang sei nichts passiert, und jetzt habe er erstmals Angst, sagte der Stadtpräsident. «Jetzt kommen die Extremen in die Schlachtjahrzeit rein.» Der Stadtrat hege Befürchtungen, dass die Demo zu Gewalt führen könne. Und das müsse in jedem Fall vermieden werden. Dass nun mit dem Gesuch zur Demo so viel (Medien-)Öffentlichkeit geschaffen werde, sei für die Sache zwiespältig.
«Öffentlichkeit ist notwendig»
Anders sieht das Rechtsextremismus-Experte Hans Stutz: «Öffentlichkeit ist notwendig, denn sie fördert auch den Widerstand.»
Schwegler schlug der Juso vor, sie sollten auch einfach an der Feier teilnehmen, als «ausgleichender Pol». Eine wirkliche Distanzierung von den Rechtsextremen war an diesem Abend von Seiten der Behörden nicht zu vernehmen. Stadtrat Alexander Lieb erklärte, er differenziere nicht zwischen Rechtsextremen und Linksextremen: Beide würden die demokratischen Werte verachten. Stadtpräsident Franz Schwegler sprach von einem «beklemmenden Gefühl» und dass er «keine Freude» habe.
Die Sempacher Stadträte verteidigten das langjährige «Unter-dem-Deckel-Halten» der Teilnahme von Rechtsextremen mit dem Argument, man habe der Sache nicht zusätzlich Auftrieb verleihen wollen. «Wir befürchten auch mit dem jetzigen, verstärkten Medieninteresse, dass noch mehr Rechtsextreme kommen könnten.» Rechtlich hätten sie keine Handhabe, die Rechtsextremen auszuschliessen.
Warum nicht auf den Marsch verzichten und die Feier im Städtchen abhalten, fragte einer aus dem Publikum. Das könnte eine Variante sein, mutmassten die beiden Stadträte.
Der Luzerner Juso-Grossstadtrat David Roth schlug vor, dass man die Kranzniederlegung der Rechtsextremen im Anschluss an die offizielle Feier bewilligungspflichtig machen, also auch verbieten könnte. «Dann werden auch wir auf die Demo verzichten. Und dann wird sich auch zeigen, ob sich die Rechtsextremen daran halten.» Laut Stadtrat Lieb ist das nicht gut möglich, weil das betreffende Grundstück dem Kanton gehöre.
Exakt dieser für die Feier hauptverantwortliche Kanton hatte die Teilnahme am Podium abgesagt. Fakt sei, «dass der Kanton Luzern heute als Mitorganisator einer rechtsextremen Demonstration bezeichnet werden muss», sagte Hans Stutz. Stutz geht nicht davon aus, dass von den Rechtsextremen in Sempach ein grösseres Gewaltpotenzial ausgeht. «An dieser Feier zeigen sie ihr Saubermann-Image, um sich politisch salonfähiger zu machen.»
«Sonst müssen wir das bezahlen»
Sie sei schon jahrelang an der Gedenkfeier mitmarschiert, und nie sei etwas passiert, warf eine ältere Sempacherin aus dem Plenum in die Diskussion. Die Linken könnten ja auch kommen, meinte sie. «Und wenn ihr euch dann an den Kragen wollt, dann geht lieber ins Meierholz und schlagt euch meinetwegen die Köpfe ein. Aber ohne Polizei, sonst müssen wir das auch noch bezahlen.»