Die SVP fordert die Abschaffung der Rassismus-Strafnorm und der Kommission gegen Rassismus sowie die Kündigung der Uno-Konvention gegen Rassismus. Sie strebt dies vorerst im Parlament und nicht auf dem Weg einer Volksinitiative an.
BERN ? Der Strafartikel habe sich nicht bewährt, beschneide die Meinungsäusserungsfreiheit und schaffe eine politische Tabuzone, erklärte die Partei gestern in Bern. Es sei zu hoffen, dass das Parlament die «juristische Missgeburt» korrigiere. Die Parteispitze räumte vor den Medien ein, dass auch die SVP Schweiz 1994 trotz Widerstands einiger Kantonalsektionen die Ja-Parole zur Vorlage gefasst habe. Der damals mit 54,6 Prozent Ja-Stimmen angenommene Artikel 261 des Strafgesetzbuchs sei jedoch bis heute ein Fremdkörper im Rechtssystem geblieben und werde zunehmend auch von Rechtsexperten in Frage gestellt. Auch genüge er den Grundsätzen des Strafrechts nicht, wonach ein strafbarer Tatbestand klar definiert sein müsse, sagt die SVP.
Auch ein Stammtisch und Vereinsversammlungen seien entgegen früherer Versprechungen keine Privatsache mehr, zitierte Generalsekretär Gregor Rutz aus dem neuen Positionspapier der SVP. Rutz verwies dabei auf einen Bundesgerichtsentscheid vom Mai 2004 zu einem Waldhüttentreffen der Skinhead-Szene, wo auf Strafbarkeit erkannt worden war. Die Lausanner Richter äusserten sich damals zur Frage, wann ein Anlass als öffentlich und wann als privat anzusehen sei. Das Urteil besagt, «dass allein die gemeinsame rassistische Gesinnung von Rechtsextremen nicht genügt, um ein Treffen solcher Gruppierungen als privat zu bezeichnen», wie die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (ERK) festhielt. Dazu müsse vielmehr «eine persönliche Bindung und ein Vertrauensverhältnis» bestehen.
«Ein Vehikel der Linken»
Laut SVP wird die Strafnorm auch zusehends dafür missbraucht, um missliebige politische Äusserungen zu diskreditieren. Die Linken benützten den Artikel als Vehikel, um Diskussionen über Einwanderungspolitik, Asyl- und Sozialmissbrauch, Ausländerkriminalität, Islamismus oder Entwicklungshilfe schon im Keim zu ersticken, sagte der Zürcher Nationalrat Christoph Mörgeli. Die ERK gebärde sich zudem als «Zensur- und Umerziehungsbehörde» und missbrauche ihre Stellung dauernd zu Wahlkampf- und Abstimmungszwecken. Die Kommission soll laut SVP deshalb ebenso abgeschafft werden. Die Schweiz brauche kein Gremium, das vorschreibe, welche Meinungsäusserungen angebracht seien und welche nicht. Im Zusammenhang mit dem Holocaust oder dem Völkermord an den Armeniern plädierte Mörgeli dafür, die Leugner leugnen zu lassen. Die Rassismus-Strafnorm habe noch keinen Leugner eines Besseren belehrt oder gar bekehrt.
Laut Parteipräsident Ueli Maurer soll nun nochmals im Parlament versucht werden, die Rassismus-Strafnorm wieder abzuschaffen. Er könne sich vorstellen, dass in einem geänderten Umfeld durchaus Chancen für dieses Vorhaben bestünden. Auf eine weitere SVP-Initiative soll vorerst verzichtet werden. Auch die Vorschläge des Justizdepartements für eine Überarbeitung des Artikels müssten geprüft werden. Maurer schloss einen Kompromiss nicht von vornherein aus. «Die Streichung ist aber das Beste», sagte Maurer. (ap/ldb)
Kommentar
VON PETER GRANWEHR
Wahlkampf mit billigen Methoden
Wer kennt schon den Wortlaut der Rassismus-Strafnorm auswendig? Gesetzestexte bereiten kaum jemandem ein Lesevergnügen und sind daher auch nicht besonders eingängig. Darauf baut die SVP, wenn sie jetzt ihren Angriff auf die Rassismus-Strafnorm startet. Wider besseres Wissen behauptet sie, die Strafnorm schränke die Freiheit der Meinungsäusserung ein und diene dem politischen Gegner «als Vehikel, um eine Diskussion über Einwanderungspolitik, Asyl- und Sozialmissbrauch, Ausländerkriminalität, Islamismus oder Entwicklungshilfe möglichst schon im Keime zu ersticken». Eine unglaubliche Behauptung, wenn man sich nur schon an die intensive Debatte im Land über das Asyl- und Ausländerrecht in diesem Sommer erinnert. Möglich ist dies nur, weil das Gesetz nicht die Aussagekraft einer reisserischen Schlagzeile hat.
Wer sich die Mühe nimmt, den Gesetzestext (siehe Kasten) zu lesen, wird zunächst feststellen, dass die Strafnorm gegen ein Verhalten zielt, das niemand im Ernst billigen kann. Wer zu Hass und Diskriminierung aufrufen will oder wer Angehörige einer Rasse, Ethnie oder Religion systematisch herabsetzen oder verleumden will, kann dafür nicht das Recht auf freie Meinungsäusserung in Anspruch nehmen. Denn solches Handeln hat nichts mit Diskussion zu tun, sondern läuft darauf hinaus, Verbrechen zu begünstigen oder zu legitimieren und die Grundlage des friedlichen Zusammenlebens zu beschädigen. Daran kann niemand wirklich interessiert sein ? auch die SVP nicht.
Es ist bedenklich, wenn die stärkste Partei des Landes ein Gesetz abschaffen will, von dem ihr Präsident Ueli Maurer selbst sagt, dass es «gut gemeint» gewesen sei. Doch es herrscht bereits Wahlkampf, in dem das Ausländerthema «ein virulentes Thema» sein werde, wie Maurer unlängst erklärt hat. Schade nur, dass sich die SVP nicht den wirklich wichtigen Themen zuwendet und stattdessen von billigen Ressentiments zu profitieren versucht.
DIE STRAFNORM IM WORTLAUT
Rassendiskriminierung
- Wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion zu Hass oder Diskriminierung aufruft,
- wer öffentlich Ideologien verbreitet, die auf die systematische Herabsetzung oder Verleumdung der Angehörigen einer Rasse, Ethnie oder Religion gerichtet sind,
- wer mit dem gleichen Ziel Propagandaaktionen organisiert, fördert oder daran teilnimmt,
- wer öffentlich durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden, Tätlichkeiten oder in anderer Weise eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzt oder diskriminiert oder aus einem dieser Gründe Völkermord oder andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet, gröblich verharmlost oder zu rechtfertigen sucht, wer eine von ihm angebotene Leistung, die für die Allgemeinheit bestimmt ist, einer Person oder einer Gruppevon Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion verweigert, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.