Einer gibt an, zur Waffen-SS zu gehören. Ein anderer ruft dazu auf, Hausbesetzer sofort zu erschiessen. Ein weiterer leugnet den Holocaust und behauptet, dass im Zweiten Weltkrieg deutsche Opfer als jüdische ausgegeben wurden. Dies sind nur einige Beispiele von Rechtsextremen, die am 18. März in Bern gegen die angebliche Nichtumsetzung der so genannten Masseneinwanderungsinitiative demonstrieren wollen. Dies zeigt ein Blick auf die Profile der auf Facebook angemeldeten Personen. Gegenüber dem «Blick» hat zudem der Präsident der rechtsradikalen Partei National Orientierter Schweizer (Pnos), Dominic Lüthard, angekündigt, am 18. März auf dem Bundesplatz dabei sein zu wollen.
Dies stellt den Veranstalter, den SVP nahen Verein Brennpunkt Schweiz, vor Probleme. «Wir wollen keine Rechtsextremisten an unserem Anlass», sagt Mitorganisator Nils Fiechter (SVP). Der engagierte Ordnungsdienst werde deshalb angewiesen sein, Personen mit Hakenkreuzen oder ähnlichen Symbolen vom Bundesplatz fernzuhalten. «Wie Linksextreme stehen auch Rechtsextreme nicht hinter der direkten Demokratie», sagt Fiechter. Bei den Sicherheitsleuten handle es sich «um eine professionelle private Sicherheitsfirma, welche aufgrund ihrer politischen Neutralität nicht genannt werden will».
Private Security darf nur reden
Handfeste Möglichkeiten, Rechtsextreme von der Kundgebung fernzuhalten, hat dieser Sicherheitsdienst jedoch nicht. Das weiss auch der zuständige Berner Gemeinderat, Reto Nause (CVP). «Kommt es zu Problemen, suchen die Sicherheitsleute das Gespräch», sagt er. Wenn diese nicht per Dialog gelöst werden könnten, werde die Polizei gerufen. Trotzdem will Nause an der Bewilligung der Demonstration festhalten. Die Veranstalter seien sehr kooperativ, es hätten in den letzten Jahren nur wenige Kundgebungen stattgefunden, die so viele Auflagen erfüllen mussten wie jene vom 18. März (siehe Text rechts).
Christa Ammann, Berner Stadträtin der Alternativen Linken (AL), bleibt skeptisch. «Nazis nicht zu tolerieren, ist vorerst nur ein Lippenbekenntnis», sagt sie. Ob die Veranstalter dies am 18. März auch wirklich tun, werde sich erst noch zeigen. Sie hält die Organisatoren zudem für naiv. Ob richtig naiv oder berechnend, das könne sie nicht sagen. Dass sich auch Rechtsextreme für eine solche «rechtsnationale Kundgebung» interessierten, sei «absolut» nicht verwunderlich.
Den Anlass zu verbieten, hält Ammann trotzdem für den falschen Weg. «Die haben im Grundsatz auch das Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit.» Doch sie wollte zeigen, dass sie mit deren Positionen nicht einverstanden ist. Zusammen mit andern Personen stellte sie deshalb ein Gesuch für eine Gegenkundgebung auf dem Waisenhausplatz. Dieses wurde vom Gemeinderat jedoch ohne Prüfung abgewiesen. Die Stadtberner Exekutive hat beschlossen, an diesem Tag grundsätzlich keine weiteren Kundgebungen zu bewilligen. «Dies halte ich für rechtsstaatlich sehr bedenklich», sagt Ammann. Man habe nun eine Verfügung verlangt, die man allenfalls anfechten wolle. Ob dies für den 18. März zeitlich noch etwas bringe, sei unklar. Doch es geht Ammann auch darum, das eventuell verletzte Grundrecht auf Meinungsäusserung für andere Fälle in der Zukunft zu sichern.
Für Nause ist klar, dass eine solche Gegenkundgebung nicht bewilligt werden kann. «Dies würde die Konflikte maximieren, wie wir es aus dem Jahr 2007 kennen», sagt er. Damals war es bei einer SVP-Demonstration mit gleichzeitiger Gegendemonstration zu Ausschreitungen gekommen. Laut Nause müsste eine Gegenkundgebung an einem andern Tag stattfinden.
Sogar SVP bleibt auf Distanz
Doch nicht nur den Linken, auch der SVP scheint die Demonstration vom 18. März suspekt zu sein. Dass die «Sonntagszeitung» von einer «SVP-Demo» schrieb, veranlasste Ex-Nationalrat Christoph Mörgeli dazu, auf dem Kurznachrichtendienst Twitter in sehr deutlichen Worten darauf hinzuweisen, dass die SVP an dieser Demonstration offiziell nicht beteiligt sei. Dennoch: Betrachtet man die angemeldeten Personen auf Facebook, sind sehr viele der Demonstranten SVP-Mitglieder. Zudem durfte Fiechter an der SVP-Delegiertenversammlung für den Anlass werben.
Massive Sicherheitsvorkehrungen
Gewalttätige Gegenaktionen befürchtet
Drohen nach den Ausschreitungen vom Wochenende in Bern bereits die nächsten Krawalle? Laut Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) gibt es «massive Risiken», dass es am 18. März zu gewalttätigen Gegenaktionen kommt. «Linksextreme rufen im Internet klar zu Gewalt auf», sagt Nause.
Deshalb muss die Kundgebung gegen die angebliche Nichtumsetzung der Masseneinwanderungsinitiative verschiedene Auflagen erfüllen. Die Organisatoren haben etwa einen eigenen Sicherheitsdienst engagiert (siehe Haupttext). Doch dies sind nicht alle Massnahmen für mehr Sicherheit. Die Teilnehmer der Veranstaltung werden dazu aufgerufen, in eigenen Cars anzureisen. Diese müssen im Vorfeld ihre Kennzeichen mitteilen, damit sie auch sicher auf den Bundesplatz fahren können. Das schreibt der organisierende Verein Brennpunkt Schweiz auf seiner Webseite.
Wer mit dem Zug anreist, wird aufgefordert, keine auffälligen Symbole zu tragen. Damit solle man verhindern, als Teilnehmer der Kundgebung erkannt zu werden. Die Route vom Bahnhof zur Kundgebung werde von den eigenen Sicherheitsleuten und der Polizei bewacht. Der Zutritt zum Bundesplatz werde während der gesamten Kundgebung durch vom Veranstalter autorisiertes und gekennzeichnetes Sicherheitspersonal kontrolliert. Zudem erhalten Kinder und Tiere laut Veranstalter aus Sicherheitsgründen keinen Zutritt zum Bundesplatz. (spr)
Nach den Krawallnächten
Linksparteien folgen Diskussionsforderung der SVP
Das Entsetzen über die Ausschreitungen in der Stadt Bern von letzter Woche ist bei SVP-Fraktionspräsident Alexander Feuz nicht abgeflacht. «Die Gewalt der Linksanarcho-Szene gegen die Polizei erreichte bisher nie gezeigte Ausmasse.» Deshalb wird er in der heutigen Stadtratsitzung eine Diskussion zu einem aktuellem Ereignis beantragen, um die Krawallnächte auch im Rat auf das Parkett zu bringen. «Das sind wir den Polizisten schuldig.» Er erhofft sich klare Stellungnahmen der anderen Fraktionen, aber nicht nur: «Es ist nun am Gemeinderat, ein deutliches Zeichen zu setzen», sagt Feuz. Auch die Reitschule nimmt er ins Gebet: «Sie könnte während unbewilligter Demonstrationen geschlossen werden.» Dadurch würde den Demonstrierenden der «Rückzugsort und die logistische Basis» entzogen.
Andere Thematik anschneiden
Die Mehrheit muss Feuz’ Antrag zustimmen, damit die Diskussion zustande kommt. Sieht die Linke Redebedarf? Die GB-Fraktion hat noch nicht beschlossen, ob sie Feuz’ Antrag zustimmen will. GB-Präsidentin Stéphanie Penher geht jedoch davon aus, dass es zur Sonderdebatte kommen wird. «Redebedarf haben alle.» Doch die Vorstellungen darüber, was denn Inhalt dieser Gespräche sein soll, gehen auseinander. «Nur über die Ausschreitungen und die Reitschule zu sprechen, ist nicht zielführend», sagt Penher. Sie will deshalb eine andere aktuelle Thematik anschneiden. «Für uns steht die Debatte über Wohnungsknappheit und Zwischennutzungen im Vordergrund.» Ihre Partei fordert dabei ein stärkeres Engagement der Stadt.
Die SP-Fraktion hat am Dienstagabend länger über Sinn und Zweck einer Sonderdebatte zu diesem Thema diskutiert, wie Co-Fraktionspräsidentin Marieke Kruit sagt. Schliesslich hat sich ihre Partei dazu entschlossen, Feuz’ Diskussionseinladung zu folgen. «Es ist besser, wenn im Stadtrat über die Geschehnisse gesprochen wird, als wenn wir voneinander nur in den Medien lesen.» Thematisiert die SVP die Reitschule, kann es im Ratssaal schon einmal hitzig zu- und hergehen. Wie konstruktiv würde eine Debatte werden? «Alex Feuz wird diese Bühne sicher zu nutzen versuchen», sagt Kruit. «Aber letztlich ist die Redezeit für jede Fraktion gleich lang.» Sie sei jedoch zu kurz, um Lösungen zu finden – sie reiche bloss, um Fragen aufzuwerfen.
Deutsche Demo mit Bernbezug
Der Aufruhr in Bern von letzter Woche hatoffenbar Wellen bis nach Deutschland geschlagen. Auf einer «Antifa»-Demo in Frankfurt ist am 25. Februar ein Banner gesichtet worden, das sich auf Bern bezieht. Linksextreme aus Frankfurt am Main solidarisieren sich damit scheinbar mit den ehemaligen Besetzern des Hauses an der Effingerstrasse 29 in Bern. Auf dem Banner stand geschrieben «Solidarität mit der Effy 29». Auf ihrer Facebook-Seite schreibt die «antifaschistische» Gruppierung dazu: «Grüsse gehen raus an alle Berner Genossinnen und Genossen – unsere Solidarität habt ihr!» Und weiter: «Effy lebt! Kein Tag ohne autonomes Zentrum!» An der Demonstration, die unter dem Motto «Make racists afraid again!» stand, nahmen mehr als 1000 Menschen teil. Im Gegensatz zu den Berner Kundgebungen von letzter Woche verlief die Demonstration jedoch friedlich. Weder habe es Festnahmen gegeben, noch seien Gegenstände beschädigt worden, schreibt die «Frankfurter Neue Presse». Es wurden lediglich einige Böller, Raketen und Gaskartuschen gezündet. (lok)