KOMMENTAR
* KATRIN NEUENSCHWANDER
Nun ertönt er also wieder, der Ruf nach einem autonomen Jugendzentrum AJZ – und zwar subito solls sein. Lautstark brüllen die paar Linksautonomen, die sich in der ehemaligen Notschlafstelle verschanzen, für ihren selbst bestimmten Freiraum. Vermummt rennen sie gegen ein Establishment an, das ihnen vermeintlich an die Gurgel will. Und manche von ihnen hauen nebenbei zusammen, was ihnen in die Quere kommt. Solche Szenen sind nicht neu, die skandierten Verslein tönen abgedroschen, und die Molotow-Cocktails brennen nach wie vor wie Zunder – so wie vor 21 Jahren, als Berns Jugendbewegung die Stadt in Brand setzte. Damals allerdings gingen zuweilen Tausende auf die Strasse, um sich gegen die bürgerlichen Wertsysteme zu stemmen. Heute sinds bloss 200, die sich gegen den verordneten Rausschmiss an der Hodlerstrasse wehren und sich für eine rechtsfreie Nische einsetzen. Doch was die Jugendbewegung der 80er-Jahre schaffte, nämlich in der Reitschule ihr AJZ aufzubauen – gelingt den aktuellen Randalierern kaum: Ihre Anhängerschaft beschränkt sich auf ein paar mehrheitlich apolitische Kämpferinnen und Kämpfer, die mit allen abrechnen, die nicht auf ihren Chaotenkurs einschwenken. Als dumme Buben- und Mädchenstreiche dürfen die Ausschreitungen indes nicht abgetan werden: Wer Bierflaschen schmeisst und Vandalenakte nicht scheut, ist nicht harmlos. Gefährlich sind die Attacken auch für die Reitschule, das eigentliche Relikt der Jugendbewegung: Zäh hat sich der Kulturraum erst als AJZ, später als verbarrikadierte Sperrzone und schliesslich als bekannte Kulturadresse behauptet. Nach unsäglichem Hin und Her wird das lädierte Haus zurzeit saniert – genau daran stören sich die Linksautonomen und Punks. Sie wollen Siff, Kiff, Suff und Zoff. Mit ihren destruktiven Störmanövern rücken sie aber nicht allein die Reitschule in ein schiefes Licht, sondern vorab auch ihre eigenen Anliegen: Als randalierende Meute sind sie nicht glaubwürdig – als fordernde Jugendliche, die sich nicht mit properen Politsprüchen und kommerzialisierter Kultur abspeisen lassen, wären sies schon.