Die Kapazitätsgrenze ist erreicht
Mit der Schlussfeier ist in Frauenfeld das 74. Eidgenössische Turnfest zu Ende gegangen. Der STV Wettingen hat den Festsieg in der Königsdisziplin, dem dreiteiligen Vereinswettkampf, auf eindrückliche Art und Weise verteidigt.
Bunt, abwechslungsreich und eindrücklich war die Schlussfeier mit den Grossraumvorführungen und der Ehrung der 36 Turnfestsiegerinnen und Turnfestsieger. Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey wurde in Frauenfeld als ehemalige Mädchenriegeturnerin herzlich begrüsst. In ihrer Rede lobte sie die Turnenden für deren Engagement. «Das Turnen und der Sport im Generellen vereint sich nicht nur im Spitzensportbereich, auch wenn uns Roger Federer dies fast vergessen lässt. Er hat wie viele andere auch in der Turnhalle begonnen zu schwitzen. Der Sport ist eine exzellente Lebensschule, wo man lernt, sich zu respektieren.»
Nicht mehr nur Breitensport, sondern bereits Leistungssport zelebrierte der STV Wettingen, der den zweiten Turnfestsieg in Folge und der Vereinsgeschichte mit der Maximalpunktzahl von 30,0 (!) feierte. Der BTV Aarau hatte im dreiteiligen Vereinswettkampf der Aktiven, der Königsdisziplin, wie 2002 das Nachsehen ? diesmal um winzige sechs Hundertstel.
7 Berner Podestplätze
Die Insider anerkannten den Triumph der Wettinger neidlos: «Sie turnten in einer eigenen Liga», sagte Christine Kaufmann, Co-Leiterin des BTV Bern. Die Stadtberner selbst freuten sich über 9,35 im Team-Aerobic, 9,59 im Sprung und 9,69 im Bodenturnen, was bereits als hohe Bewertung zählt. «Es entschädigt für den Aufwand», sagte Kaufmann. Rang 4 in der 4.Stärkeklasse nahm sie dankbar an. «Ein Podestplatz wäre das Tüpfelchen auf dem i gewesen.» Weiter nach vorne hat es bei den Aktiven kein Berner Verein geschafft. Der TV Herzogenbuchsee, vor fünf Jahren der einzige Berner Spartensieger bei den Aktiven (4.Stärkeklasse), stellte diesmal den Gewinner bei den Senioren, 6.Stärkeklasse. Noch am Sonntagabend folgte der Empfang zu Hause, das Fest der 10 erfolgreichen Männer ist für Donnerstag geplant. Auch wenn für keinen Berner Turnfestsieg in den Vereinswettkämpfen gereicht hat: Die 7 Podestplätze (3 Berner Oberland, 2 Oberaargau, 2 Seeland) können sich sehen lassen.
In Erinnerung bleiben wird den Aktiven und den Besuchern die gute Stimmung am Turnfest. Die Thurgauer Kantonspolizei blickt laut Einsatzleiter Norbert Scramonzin auf «verhältnismässig wenig Zwischenfälle» zurück; dank der Zusammenarbeit von Polizei und privaten Sicherheitsfirmen konnten etwa in der Nacht auf Sonntag unerwünschte Besucher aus der rechtsextremen Szene vom Festareal verwiesen werden.
Veränderungen stehen an
Kaum vergessen werden die 56000 Teilnehmenden das lange Warten auf die Zwischen- und Schlussranglisten sowie die Momente in den überfüllten Bussen. «Die Durchführung dieses Eidgenössischen Turnfestes war die bislang komplexeste Angelegenheit, die Frauenfeld erlebt hat», zog OK-Präsident Roland Eberle Bilanz. 56000 Teilnehmende, 100000 Besucher, 60000 Übernachtungen ? das sei kein Pappenstiel.
Das 74.ETF hat gezeigt, dass die Turnolympiade in ihrer heutigen Grösse und Vielfältigkeit kaum mehr zu bewältigen ist. «Es sollten vermehrt Disziplinen reduziert und das Programm etwas zusammengestrichen werden. Es hätte gleich viele Teilnehmende», sagte auch Hans Ulrich Signer, der OK-Geschäftsführer in Frauenfeld.
In den nächsten Monaten soll ein Gedankenaustausch der Basis über Wünsche und Machbares sowie deren Kostenfolgen stattfinden. Begriffe wie «Anpassungen», «vereinfachte Abläufe» oder eine «optimierte Vernetzung im modernen EDV-Zeitalter»: Um solche Ideen kommt die Turnfamilie für ein ETF nicht mehr herum. Gehts gar nach Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey, «wird vielleicht bald einmal auch das Skateboard, das gegenwärtige Lieblingsgerät der Jungen, zu einem ebenso normalen Turngerät wie der Barren oder die Reckstange.»