NZZ Online: Österreichs Regierung tat sich jahrelang schwer mit Hitlers Geburtshaus in Braunau. Nun soll dieses so umgebaut werden, dass es seine Anziehungskraft auf Neonazis verliert.
Im jahrelangen Ringen um die künftige Nutzung des Geburtshauses von Adolf Hitler in der oberösterreichischen Grenzgemeinde Braunau hat die Regierung in Wien eine Entscheidung getroffen. Laut Innenminister Wolfgang Sobotka soll das Gebäude so weit umgestaltet werden, dass eine «Wiedererkennung vor allem in der Aussenform» unmöglich sei. Für die Arbeiten soll ein Architekturwettbewerb ausgeschrieben werden. Nach dem Umbau ist der Einzug einer sozialen Einrichtung oder eine behördliche Verwendung möglich, endgültig vom Tisch ist aber ein Museumskonzept. Dafür habe man die Erinnerungsstätte im ehemaligen KZ Mauthausen, erklärte der Minister.
Gekauft für Nazi-Propaganda
Sobotka folgt damit den Empfehlungen einer im Juni eingesetzten 13-köpfigen Expertenkommission, die in ihrem nun publik gemachten Bericht eine tiefgreifende architektonische Umgestaltung angeregt hatte, um die Symbolkraft des Gebäudes zu brechen. Der Innenminister sorgte jedoch für Verwirrung, sprach er doch am Montag gegenüber der Zeitung «Die Presse» davon, dass das Haus abgerissen werde – eine Option, für die er sich seit seiner Berufung in die Regierung im letzten Frühling bereits mehrmals ausgesprochen hatte. Noch am Abend äusserten sich mehrere Mitglieder der Kommission, der Historiker, der Bürgermeister Braunaus und der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde angehören, gegen diese Interpretation ihrer Analyse. Man habe sich explizit gegen eine Schleifung des Hauses ausgesprochen.
Der bekannte Zeithistoriker Oliver Rathkolb von der Universität Wien erklärte am Dienstag im ORF-Radio, ein Abriss wäre ein falsches Signal, würde er doch zu verstehen geben, dass man einen Schlussstrich unter die Geschichte des Nationalsozialismus in Österreich ziehen und gar wieder eine Opferdoktrin aufbauen wolle. Mit der Zerstörung des Gebäudes auch seine Geschichte auszuradieren, funktioniere nicht, vielmehr würden sich dadurch neue Mythen um den Ort ranken. Die Kommission, der auch Rathkolb angehört, empfiehlt deshalb neben dem Umbau eine Nutzung, die keine «weitere Assoziierung mit der Person Hitlers oder Identifikation mit dem Nationalsozialismus begünstigen könnte», was gegen eine museale oder edukative Einrichtung spreche. Sobotka präzisierte seine Aussage vom Vortag rasch und stellte klar, Ziel sei, dass das Haus an der über die Grenzen hinaus bekannten Adresse Salzburger Vorstadt 15 keine Pilgerstätte für Neonazis sei.
Sein unbedarftes Vorpreschen zeigte jedoch einmal mehr, wie schwer sich die Republik mit dem problematischen Erbe in Braunau tut. Heute wirkt das gelb getünchte Haus heruntergekommen, doch ausser einem schlichten Gedenkstein auf dem Trottoir – auf dem der Name des Diktators nicht erwähnt wird – erinnert nichts daran, dass 1889 Hitler darin geboren wurde. Dass die Initialen «MB» im gusseisernen Zierrat über dem Eingangsportal für seinen Sekretär Martin Bormann stehen, muss man wissen.
Hitler verbrachte nur seine ersten drei Lebensjahre in Braunau, danach zog seine Familie weg. 1912 erwarb die Familie Pommer sein Geburtshaus und betrieb darin eine Gaststätte, die früh zu einem Treffpunkt der Nationalsozialisten wurde, wie das Magazin «Profil» vor zwei Jahren berichtete. Nach deren Machtübernahme in Österreich kaufte Bormann das Haus im Auftrag der NSDAP zu Propagandazwecken, es wurde zu einem Kulturzentrum umgebaut. Unmittelbar vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs versuchten Wehrmachtssoldaten noch, das Gebäude im mittlerweile von den Amerikanern befreiten Braunau zu sprengen, was nicht gelang. 1954 kaufte es die Familie Pommer zurück, und seit 1972 mietet das Innenministerium die Räumlichkeiten, um die Nutzung zu kontrollieren. Lange war eine Behindertenwerkstätte Untermieterin, nun steht das Haus aber seit einigen Jahren leer, weil die Eigentümerin jede für einen sinnvollen Gebrauch erforderliche Renovierung verweigerte.
Die Enteignung ist beschlossen
Viele Gesprächsversuche scheiterten, auch in einen Verkauf an die Republik willigte die ältere Dame nicht ein. Im Sommer ergriff die Regierung deshalb eine drastische Massnahme und beschloss die Enteignung des Gebäudes. Die dafür nötige Gesetzesänderung behandelte das Parlament am Dienstag.
Es war dies ein überfälliger Schritt, doch mit der Frage der künftigen Verwendung steht der nächste heikle Entscheid an. Die Expertenkommission empfiehlt eine «lebensbejahende und alltagsbezogene» Nutzung. Ob dies sowie die Umgestaltung aber die Anziehungskraft auf Ewiggestrige, die insbesondere um den Geburtstag Hitlers im April zu beobachten ist, ganz unterbinden, muss sich erst weisen.