Basler Zeitung.
Ursula Krieger macht in einem Chat Aussagen, die bei Rechtsextremen gut ankommen. Hat sie sich damit als Antisemitin entlarvt?
Wie viel kann sich eine Lokalpolitikerin in einem Chat erlauben? Diese Frage stellt sich, nachdem die Allschwiler Einwohnerrätin Ursula Krieger im Messenger-Dienst Telegram Aussagen gemacht hat, die je nach Blickwinkel rechtsextrem oder sogar anitsemitisch erscheinen.
Es geht um Äusserungen in einer patriotischen Chat-Gruppe mit insgesamt 56 Mitgliedern. Zu ihnen zählen Teilnehmer mit Pseudonymen wie «Völkerball 0815» oder «suum quique» («jedem das seine»), bei denen es sich um Nazi-Codierungen handelt. Dabei im Chat ist auch Tobias Steiger, Chef der rechtsextremen Pnos Basel und Sohn von Ursula Krieger. Sie selber politisiert in der Allschwiler Volkspartei (AVP), die 2018 aus der SVP von Allschwil hervorgegangen ist.
Das Basler Online-Medium «Bajour» hat in einem Artikel einige Aussagen von Krieger publik gemacht. Nach dem Attentat im deutschen Halle vom letzten Oktober, bei dem ein Rechtsextremer in einer Synagoge ein Massaker unter Juden anrichten wollte und zwei Passanten tötete, postete sie auf «Telegram»: «Das Ganze ist von mir aus ein Riesen-Schmierentheater … Garantiert kein einsamer Wolf etc. Das ist alles organisiert.» Krieger suggerierte, der israelische Geheimdienst habe das Attentat durchgeführt, um den Anschein einer rechtsextremen Bluttat auf Juden zu erwecken.
An anderer Stelle behauptete Krieger, gemäss einem «vertraulichen Papier» habe der jüdische Investor George Soros vor den Schweizer Parlamentswahlen Politiker «mit bis zu 1,5 Millionen Wahlkampfgeldern» gekauft. Die Lokalpolitikerin verbreite «antisemitische Verschwörungstheorien», lautete das Fazit von «Bajour».
Ursula Krieger weist die Vorwürfe zurück: «Ich bin zwar patriotisch, aber eindeutig weder rechtsextrem noch antisemitisch», sagt sie zur BaZ. Auch mit der Pnos habe sie nichts am Hut. Sie akzeptiere zwar, dass die von ihr kolportierten Erklärungen als Teilhabe an Verschwörungstheorien bezeichnet werden können, so Krieger, aber manche Verschwörungstheorien seien ja vielleicht richtig. «Wenn man mir beweisen kann, dass das alles nicht stimmt, entschuldige ich mich und sage, dass ich etwas Falschem aufgesessen bin.» Sie fände es «total schade», wenn der Rummel um ihre Äusserungen ihrer Partei AVP im Wahlkampf für die Gemeindewahlen schade, ergänzt Ursula Krieger.
Roman Klauser, prägendes Mitglied der AVP und Allschwiler Gemeinderat, ist aufgebracht über die Vorwürfe an seine Parteikollegin: «Es ist himmeltraurig, wie Ursula Krieger nun diffamiert wird.» Sie sei in keiner Weise antisemitisch, das wisse er von den Kontakten zu ihr, sagt Klauser. Aber es gebe Personen, die Krieger gezielt fertigmachen wollten. Da habe jemand «all diese Dreckseiten» durchsucht, um etwas zu finden, mit dem man sie in die Pfanne hauen könne. Jetzt würden die Medien «instrumentalisiert». Er wisse, wer dahinterstehe, behauptet Klauser – ohne aber Namen zu nennen.
«Überbau fehlt»
Ist Ursula Krieger eine Antisemitin, weil sie Sympathien für Verschwörungstheorien über Juden hegt? Der Basler Extremismus-Experte Samuel Althof mahnt zur Vorsicht. «Aufgrund der vorliegenden Äusserungen kann man nicht schliessen, dass sie eine strukturelle Antisemitin ist». Das bedeute, dass sie wohl keine antisemitische Literatur gelesen und auch keine völkische Denkhaltung gegenüber Juden habe. «Es fehlt bei Krieger der rassistische Überbau, mit dem sie ihre Gedanken erklären würde», so Althof. Damit unterscheide sich die Politikerin etwa von ihrem Sohn Tobias Steiger, bei dem eindeutig eine rechtsextreme Denkstruktur vorliege.
Dennoch seien die erwähnten Kommentare von Ursula Krieger problematisch, betont Samuel Althof. «Sie nimmt antisemitisches Denken auf, kolportiert dieses und nimmt an Verschwörungstheorien teil, die von Rechtsextremen stammen.» Diese Theorien dienten ihr als einfache Antworten auf komplexe Fragen. «Sie versteht die Komplexität der Welt nicht», ist Althof überzeugt.
Kriegers Äusserungen ziehen immer weitere Kreise. Auch «20Minuten» hat inzwischen über die Aussagen berichtet. Führt die Affäre am Ende zum Rücktritt der Politikerin aus dem Allschwiler Einwohnerrat? Extremismus-Experte Althof ist jedenfalls kritisch, was Kriegers Mandat angeht: «Personen, die sich an Verschwörungstheorien orientieren, haben in der Politik nichts zu suchen, denn dort braucht es Leute mit Realitätsbezug.»