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«Jung, agil und attraktiv» sollen sie aussehen: In der rechtsextremen Szene gibt es Workshops dazu, wie junge Frauen auf Instagram neue Anhänger rekrutieren sollen.
«Der Algorithmus funktioniert nicht»
Dominique Zeier
Darum gehts
Auf Instagram findet sich eine Reihe an Bildern von Rechtsextremisten, die auf den ersten Blick gar nicht auffallen.
Dies zeigt ein Bericht des Recherchezentrums Correctiv.
Tatsächlich soll sich die rechtsextreme Szene Instagram bewusst zu Nutzen machen, um neue Anhänger zu rekrutieren.
Dabei spielen inbesondere junge Frauen auf der Plattform eine grosse Rolle.
Es beginnt mit Instagram-Bildern, die auf den ersten Blick nicht verdächtig wirken: Ein Baby in eine Decke eingewickelt oder eine junge Frau in langem Kleid in einer Blumenwiese. Bei genauerem Hinsehen bemerkt der aufmerksame Zuschauer allerdings, was tatsächlich hinter diesen Fotos steckt. Es handelt sich um subtile Nachrichten und Botschaften – direkt aus der rechtsextremen Szene heraus und zum Zweck der Rekrutierung junger Menschen.
Ein Forscher-Team des Recherchezentrums Correctiv hat sich über mehrere Monate lang mit diesem Thema befasst und über 4500 Posts auf Instagram analysiert. Zusätzlich wurde ein fiktiver Account erstellt, um zu simulieren, wie eine solche Rekrutierung durch die rechtsextreme Szene über die Plattform ablaufen könnte.
Subtile Symbolik
Oft fallen die Bilder, die im Bericht von Correctiv analysiert wurden, einem ungeübten Auge gar nicht erst auf. Dies zeigt das Bild des Babys, das anfänglich beschrieben wurde. Neben dem Kopf des Kindes liegt nämlich ein hölzernes Dekorationsstück, das einer Sonne zu ähneln scheint. Es handelt sich dabei allerdings um eine sogenannte Schwarze Sonne – ein Erkennungssymbol der deutschen Rechtsextremen der Neuzeit – die aus mehreren Hakenkreuzen besteht.
Das Fazit des Recherchezentrums ist ernüchternd: Instagram kann nur wenig gegen diese Art von Posts tun, da sein Algorithmus nicht darauf trainiert ist, solch subtile Symboliken zu erkennen. Tatsächlich sei das Bild des Babys erst gelöscht worden, nachdem Correctiv Instagram explizit darauf aufmerksam gemacht hat.
«Jung, agil und attraktiv»
Diese Tatsache nutzt die rechte Szene laut Correctiv bewusst aus. So erzählt eine ehemalige Insiderin, dass es ganze Workshops gebe, die zum Zweck haben, Aktivisten beizubringen, wie man Bilder für Instagram richtig konzipiert. Dabei geht es darum, wie man sich selbst auf subtile Art als Rechtsextremist präsentieren kann, sodass man von ähnlich Gesinnten erkannt wird, nicht jedoch von Personen, die mit der Szene nichts zu tun haben.
Man werde angewiesen, auf den Fotos «jung, agil und attraktiv» zu wirken. Laut dem Fotografen Vadim Derksen, der selbst für die AfD-Jugendorganisation Junge Alternative (JA) Bilder für Instagram schiesst, ist es seinem Landesverband in Berlin auf diese Art gelungen, beinahe die Hälfte aller Neuzugänge über Instagram zu gewinnen.
Inhalte sollten gelöscht werden
Bei dieser Rekrutierung spielen Frauen oft eine Schlüsselrolle. Die ehemalige Insiderin erzählt: «Die Mädels sind für das schöne Bild verantwortlich.» Denn sie würden weniger aggressiv wirken als Männer. Darüber hinaus werde ihnen bei den Workshops beigebracht, wie sie nach und nach neue Follower auf ihre Seite ziehen können. «Ich als Frau würde niemals auf die Idee kommen, Kaiser-Marschmusik unter meine Bilder zu legen. Aber wenn ich das 20 Mal sehe, finde ich es lustig und mache es dann auch», so die 27-Jährige. «Man hat ausserdem ein Feindbild, und dieses Feindbild versucht man so nach und nach, immer tröpfelnd, den Leuten einzuflössen.»
Instagram hat sich zur Recherche von Correctiv geäussert. Man habe «klare Regeln» für «gefährliche Individuen und Organisationen» sowohl für Facebook als auch für Instagram. Daher würden «alle Inhalte, die diese Organisationen und Einzelpersonen und ihre Aktivitäten loben, unterstützen oder vertreten, von der Plattform entfernt».
Wie kommt es zur Polarisierung?
In der Praxis funktioniere dies aber nicht, so das Recherche-Team von Correctiv. Denn der fiktive Account, der von ihnen angelegt wurde, erhielt innerhalb kürzester Zeit etliche rassistische Memes zugeschickt. Ausserdem wurden unzählige rechtsextreme Meme-Seiten und Influencer vorgeschlagen, die während Monaten nicht gelöscht wurden.
Dass Instagram selbst immer mehr solche Seiten vorschlägt, lasse sich mit dem Instagram-Algorithmus erklären, so die Wissenschaftlerin Carolina Are, die an der Universität London über Verzerrung durch Algorithmen forscht. «Wer viele Beiträge eines bestimmten Stils liked, wird immer mehr vom Gleichen vorgeschlagen bekommen.» Dies könne zur Polarisierung der User führen.
Daher schliesst der Bericht von Correctiv mit der Erkenntnis: «Die Tiefen von Instagram sind durchzogen von Hass. Doch es ist Hass, der sich gut zu tarnen weiss. Die Plattform scheint dagegen bisher kein wirkungsvolles Mittel gefunden zu haben.»