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Jahrelang durfte man in fast allen Ländern der Welt auf Facebook den Holocaust leugnen. Nun hat es sich Mark Zuckerberg anders überlegt – und er hat gute Gründe dafür.
Simon Hurtz, Berlin
Der Podcast ist mehr als zwei Jahre alt, aber er verfolgt Mark Zuckerberg bis heute. «Ich bin jüdisch, und es gibt eine Gruppe von Menschen, die bestreiten, dass der Holocaust stattgefunden hat», sagte der Facebook-Chef 2018 in einem Gespräch mit der US-Journalistin Kara Swisher. «Ich finde das extrem abstossend. Letztendlich glaube ich trotzdem nicht, dass unsere Plattform das löschen sollte.» Nicht alle Menschen, die den Holocaust leugneten, wüssten es besser. Facebook sollte Menschen nicht verbannen, wenn sie falsche Dinge sagten.Das löste damals heftige Kritik aus, doch Zuckerberg blieb bei seiner Haltung – bis jetzt: «Heute erweitern wir unsere Richtlinien und verbieten künftig sämtliche Inhalte, die den Holocaust leugnen oder verharmlosen», schreibt er am Montag in einem Facebook-Post. Er habe seine Meinung geändert, nachdem er Daten gesehen habe, die zeigten, dass antisemitische Gewalt zunehme. Die Abwägung zwischen Redefreiheit und Hassrede sei niemals eindeutig, doch «angesichts des aktuellen Zustands der Welt» glaube er, dass die Entscheidung nötig sei.
Holocaustleugnung ist in etwa einem Dutzend weiterer Länder strafbar, in den USA aber legal. Nach deutschem Recht gilt die Leugnung des Holocausts als Volksverhetzung und ist strafbar, deshalb sperrt Facebook entsprechende Postings seit jeher. Nun will die Plattform diese Regel weltweit durchsetzen. Im August hatte Facebook bereits antisemitische Klischees verboten, wonach Juden die Welt kontrollierten. Diese Lüge wird immer wieder von Rechtsradikalen verbreitet, auch die QAnon-Bewegung und Teile der Corona-Skeptiker bedienen sich antisemitischer Verschwörungserzählungen.
Studien bestätigen: Antisemitismus nimmt zu
«Unsere Entscheidung wird durch den gut dokumentierten weltweiten Anstieg von Antisemitismus und dem alarmierenden Level von Unkenntnis über den Holocaust gestützt», schreibt Facebook-Managerin Monika Bickert. In den USA sagen etwa ein Viertel der Menschen zwischen 18 und 39 Jahren, dass der Holocaust ein Mythos sei, übertrieben dargestellt werde oder sie sich nicht sicher seien. Facebook will Nutzerinnen und Nutzern, die nach Begriffen suchen, die mit dem Holocaust oder Holocaustleugnung in Verbindung stehen, künftig auf glaubwürdige Informationen verweisen. Ähnlich geht die Plattform bereits mit Suchanfragen zum Coronavirus um. Die Funktion soll im Laufe des Jahres eingeführt werden.Weltweit beschäftigt Facebook Zehntausende Menschen, die Inhalte sichten und sperren. Diese sogenannten Content-Moderatorinnen und Moderatoren müssen oft binnen Sekunden entscheiden, ob Postings online bleiben oder gelöscht werden sollen. Das Regelwerk ist komplex und ändert sich fortlaufend. «Es wird Zeit in Anspruch nehmen, um die zuständigen Teams zu schulen und unsere Systeme anzupassen», gibt auch Bickert zu. Mark Zuckerberg hat zwei Jahre und drei Monate gebraucht, um seine Meinung zu ändern.