Thuner Tagblatt
Jetzt gehen auch die Linken auf die Strasse
Wegen Corona-Skeptikern In Bern rufen für Samstag sowohl Pandemie-Skeptiker wie auch Linksautonome zur unbewilligten Kundgebung auf.
Ziehen Protestumzüge durch die Stadt Bern, so stecken in der Regel linke Gruppierungen dahinter. Doch im Corona-Jahr 2020 ist es an der Protestfront des linksautonomen Lagers eher ruhig geblieben. Regelmässig öffentlich in Erscheinung tritt eine neue Bewegung: die Gegner der bundesrätlichen Pandemiemassnahmen – wahlweise auch Corona-Skeptiker oder Corona-Rebellen genannt. Fast jeden Samstagnachmittag versammeln sich die Kritiker – zu denen auch 5G-Gegner, Verschwörungstheoretiker und Impfgegner gehören – zur Mahnwache auf dem Bundesplatz.
Auch Personen aus der rechtsradikalen Szene mischen sich regelmässig unter die Kundgebungsteilnehmenden. Dies stösst der linksautonomen Szene in Bern sauer auf. Damit werde Platz für «faschistische und rassistische Hetze» geboten, heisst es in einem Eintrag auf dem Onlineportal Barrikade.info. «Wir können nicht länger akzeptieren, dass Neonazis offen in Bern demonstrieren», heisst es dort weiter. Mit der Parole «Bern bleibt nazifrei» rufen deshalb Linksaktivisten zur antifaschistischen Demonstration auf. Start der unbewilligten Aktion soll am Samstag um 14 Uhr auf dem Bahnhofplatz in Bern sein.
Ein heikler Demo-Tag
Weil laut Berner Sicherheitsdirektion für Samstag zudem mehrere Aufrufe im Internet kursieren, ab 13 Uhr aufs Neue auf dem Bundesplatz gegen die Pandemie-Massnahmen zu protestieren, erwartet Bern einen heiklen Demo-Tag. Berns Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) hat die brenzlige Ausgangslage auf dem Radar, will sich aber nicht zur Taktik der Polizei äussern.
Nause verbirgt sein Unverständnis für die beiden Kundgebungsaufrufe nicht. In der momentanen Pandemie-Situation sei dies «deplatziert von allen Beteiligten». Und dass Linksautonome von einem «Aufmarsch von Neonazis» schreiben, findet er völlig verzerrt. Die Bewegung sei «bunt gemischt». «5G-Gegner und Esoteriker würde ich sogar eher zum grünen Spektrum zählen», so Nause. Dass Linksautonome die Corona-Skeptiker klar einem rechten Lager zuordnen, findet er eine «unnötige Polarisierung».
Auch Zulauf aus Basel?
Es könnte sein, dass die Antifa-Kundgebung in Bern auch Gleichgesinnte aus anderen Schweizer Städten anlocken wird – namentlich aus Basel. Denn im Demoaufruf auf Barrikade.info ist festgehalten, dass man sich mit der Aktion mit der Bewegung «Basel nazifrei» solidarisieren wolle. Im November 2018 störte jene Gruppe mit einer Gegendemo eine Kundgebung der rechtsradikalen Partei National Orientierter Schweizer (Pnos). Dabei kam es auch zu heftigen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Derzeit läuft eine Reihe von Strafprozessen gegen Mitglieder der Bewegung «Basel nazifrei».
Michael Bucher