Watson. Die rechtsextreme Band Mordkommando drohte in ihren Songs Juden, Politikern und Prominenten mit der Ermordung. Vor zwei Jahren reichten deshalb die Zürcher Stadtpräsidentin, der Fernsehstar Kurt Aeschbacher und andere Strafanzeige ein. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft blieben erfolglos – trotz Verdachtsmoment.
Der Name ist Programm: Auf ihrem 2014 erschienenen Album «Schwarze Liste» droht die rechtsextreme Band Mordkommando prominenten Schweizerinnen und Schweizern mit Gewalt und Tod. Die Existenz der damals auf YouTube frei zugänglichen Songs und ihrer erschreckenden Texte wurde dank einer Recherche der Schweiz am Sonntag im Herbst 2016 publik.
Ziel des Hasses der Neonazi-Rocker: Die Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch, die Fernsehstars Kurt Aeschbacher und Mike Shiva, der Musiker Michael von der Heide – sie alle stehen öffentlich zu ihrer Homosexualität. Hinzu kommt Herbert Winter, der Präsident des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (SIG), des Dachverbands der jüdischen Gemeinschaft.
All diesen Persönlichkeiten ist auf dem Album je ein Song gewidmet, in denen Mordfantasien und Hass besungen werden. Zusätzlich wird im Lied «Bomben auf Wiedikon», das voller antisemitischer Hassparolen ist, über den Mord an Juden und das Niederbrennen von Synagogen im gleichnamigen Stadtzürcher Quartier fantasiert.
USA verweigerten Datenherausgabe
Nach den Medienberichten reichten viele der Betroffenen im Herbst 2016 Strafanzeige ein. In der Folge nahm die Zürcher Staatsanwaltschaft Anfang November 2016 Ermittlungen wegen Verdachts auf Rassendiskriminierung und öffentliche Aufforderung zu Verbrechen und zur Gewalttätigkeit auf. Diese Ermittlungen sind zwei Jahre später definitiv im Sand verlaufen: «Das Verfahren wurde am 10. Dezember eingestellt», erklärt Sprecher Christian Philipp von der Zürcher Staatsanwaltschaft auf Anfrage von watson. Die entsprechende Einstellungsverfügung sei aber noch nicht rechtskräftig.
Der Grund für die Einstellung: «Ein Nachweis der Täterschaft scheiterte», so Philipp. Es sei nicht gelungen, die nötigen IT-Daten zu erheben, sprich die IP-Adressen der «Anschlussinhaber», von deren Computern die Songs ins Netz hochgeladen worden waren. Diese Daten konnte die Staatsanwaltschaft nicht erheben, weil die US-Behörden einem entsprechenden Gesuch aus der Schweiz keine Folge leisteten. «Sie teilten ihre Rechtsauffassung mit, wonach die Publikation der Liedtexte nach amerikanischem Recht unter die Redefreiheit fielen», so Sprecher Christian Philipp.
Weil sich die Täterschaft auch durch Auswertung der Videos, deren Metadaten sowie anderer Quellen nicht habe eruieren lassen, seien «alle naheliegenden Beweismöglichkeiten ausgeschöpft» gewesen. Da keine «individualisierten Tatverdachtslagen» erstellt werden konnten, wurde im ganzen Verfahren auch keine einzige Person vorgeladen oder befragt, wie Philipp auf Nachfrage von watson bestätigt.
Amok-Frontmann Kevin G., mutmasslich auch einer der Sänger von Mordkommando, ist für die Justiz kein Unbekannter. Der mehrfach vorbestrafte Schweizer wurde im März 2018 wegen Rassendiskriminierung und Tätlichkeiten zu zwei Jahren Haft verurteilt. Der Grund dafür: Kevin G. hatte 2015 bei einem Polterabend in Zürich-Wiedikon einen orthodoxen Juden bespuckt, beschimpft und ihm den Hitlergruss gezeigt.
Songs weiterhin online
Die Betroffenen reagieren zurückhaltend auf das Ende der Ermittlungen. Im Namen von Zürichs Stadtpräsidentin Corine Mauch sagt ihr Sprecher Lukas Wigger, man habe die Einstellungsverfügung zur Kenntnis genommen, kommentiere sie inhaltlich aber nicht.
«Wir bedauern, dass es zur Einstellung des Verfahrens gegen die Band Mordkommando kommt, trotz des grossen Engagements der Staatsanwaltschaft», sagt Jonathan Kreutner, der Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (SIG). Auf eine Beschwerde gegen die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft verzichte man.
Die Songtexte und die darin enthaltenen Schmähungen und Morddrohungen sind gemäss Kreutner einer der «krassesten Fälle von ‹Hate Speech›», welche der SIG in den letzten Jahren mitbekommen hat: «Leider müssen wir generell eine steigende Tendenz in Zahl und Intensität von ‹Hate Speech› im Internet feststellen.» Es zeige sich, dass in diesem Bereich Handlungsbedarf besteht.
Derweil sind die Mordkommando-Songs zwar nicht mehr auf YouTube zu finden. Sie kursieren aber weiterhin frei zugänglich im Internet. Neuerdings auf einer Website, deren IP-Adresse in Kolumbien registriert ist.