NZZ am Sonntag. Anklage gegen 29-jährigen Mann, der in Zürich einen orthodoxen Juden attackierte.
Am 4. Juli 2015 griff eine rund 20-köpfige Gruppe Rechtsextremer im Zürcher Stadtviertel Wiedikon einen orthodoxen Juden an, der nach einem Besuch in der Synagoge auf dem Nachhauseweg war. Die teilweise angetrunkenen Männer, die einen Polterabend feierten, stellten sich dem Gläubigen in den Weg, beschimpften ihn und machten den Hitlergruss. Der Anführer der Gruppe, der heute 29-jährige Kevin G., rief antisemitische Parolen, spuckte dem Juden ins Gesicht und und schubste ihn. Der Mann erstattete Anzeige, ein zweites Opfer sah davon ab.
Nach mehr als zweijähriger Untersuchung ist das Verfahren abgeschlossen; die zuständige Zürcher Staatsanwältin Susanne Leu will Anfang Woche Anklage gegen Kevin G. erheben, wie dessen Verteidiger Jürg Krumm bestätigt. Wegen Verstosses gegen das Antirassismusgesetz, wegen Beschimpfung und Spuckens, das als Tätlichkeit geahndet werden kann, beantragt sie laut Rechtsanwalt Krumm eine bedingte Freiheitsstrafe von sieben bis acht Monaten.
Zweiter Täter geständig
Weil Kevin G., der die Taten vehement bestreitet, jedoch mehrfach wegen Rassendiskriminierungen, Körperverletzungen und Beschimpfungen vorbestraft ist, drohe ihm eine bis zu zweieinhalbjährige Freiheitsstrafe, sagt Jürg Krumm. «Bewährungsfristen bedingt ausgesprochener Urteile sind noch nicht abgelaufen, deshalb steht dieses Strafmass im Raum», erklärt der Anwalt. Das Opfer habe seinen Klienten bei einer Gegenüberstellung erkannt; davon abgesehen gebe es einige Widersprüche in den Aussagen des Mannes. Der gebürtige Israeli ist rund 50 Jahre alt und lebt seit vielen Jahren in der Schweiz.
Ein zweiter Beschuldigter hat gestanden, den Juden beschimpft zu haben. Er soll per Strafbefehl mit einer Geldstrafe zur Verantwortung gezogen werden, wie der Anwalt des Mittäters sagt. Die Verfahren gegen drei weitere Beschuldigte werden dem Vernehmen nach eingestellt, weil ihnen keine Beteiligung an der rassistischen Tat nachgewiesen wurde.
Körperliche Gewalt
Der Zürcher Oberländer Kevin G., dessen Körper mit Hakenkreuzen und anderen Nazi-Emblemen tätowiert ist, gilt seit Jahren als Aushängeschild in der Schweizer Rechtsextremen-Szene. Er trat verschiedentlich als Sänger der Hassrockgruppe «Amok» in Erscheinung. Offiziell distanzierte er sich inzwischen von dieser. Dem Zürcher «Tages Anzeiger» sagte er im vergangenen November, er mache keine Musik mehr. Dies, nachdem die Band «Amok» im Oktober 2016 in Unterwasser im Kanton St.Gallen an einem Rechtsextremen-Konzert mit 5000 Besuchern aufgetreten und die Vermutung aufgekommen war, Kevin G. sei als Sänger dabeigewesen.
Am Anlass spielte «Amok» Lieder, deren Texte Morddrohungen gegen Zürcher Juden und die Stadtpräsidentin Corine Mauch enthalten. Er sei nicht nach Unterwasser gereist und wisse auch nicht, was sich dort abgespielt habe, betonte der gelernte Metzger damals.
Kevin G. bewegte sich schon in seiner Jugend in der Rechtsextremen-Szene. Sein Gedankengut zeigt Gemeinsamkeiten mit jenem des internationalen Skinhead-Netzwerks «Blood and Honour». Beim Angriff auf den orthodoxen Juden in Zürich Wiedikon trugen Kevin G. und seine Kollegen T-Shirts mit dem Aufdruck einer Untergruppe des Naziskin-Netzwerks.
Der nun wegen der Attacke in Zürich Wiedikon beschuldigte Kevin G. war früher wiederholt gewalttätig geworden. 2007 schlug er in Glarus einen Polizisten, als er mit einer Gruppe Rechtsextremer eine bewilligte Demonstration der Jungsozialisten stören wollte. Fünf Jahre später verprügelte Kevin G. zusammen mit einem Kollegen in einer Bar einen Betrunkenen; dieser erlitt dabei einen Nasenbeinbruch. Auf einem Jahrmarkt schlug er einem Kontrahenten einen Zahn aus. Das zuständige Kreisgericht verurteilte Kevin G. in der Folge zu 30 Monaten Gefängnis wegen mehrfacher Körperverletzung – davon 12 Monate unbedingt.
Aufgrund von Rassendiskriminierungen und öffentlicher Aufforderung zu Gewalt in Liedtexten war Kevin G. bereits Jahre zuvor im Zusammenhang mit seinen Aktivitäten als Musiker mit einer Geldstrafe belegt worden.