St. Galler Tagblatt. Politiker aus der Region verurteilen Thomas Müllers Rassismus-Aussagen. Nicht wenige bewundern Rorschachs SVP-Stadtpräsidenten aber auch dafür, dass er «so authentisch ist».
Rorschachs Stadtpräsident Thomas Müller (SVP) nahm kein Blatt vor den Mund. Die Brasilianer seien gesunde Rassisten, weil sie gegenüber dem Ausland nicht so devot aufträten wie die Schweizer, sagte er anlässlich des Sommergesprächs («Tagblatt» vom Freitag). Oder: Der Islam habe in der Schweiz nichts verloren. Schliesslich ziele dieser darauf ab, den Koran über alles zu stellen und die westliche Gesellschaft mit unseren Werten abzuschaffen.
Müllers teils diskriminierenden Aussagen lösen unterschiedliche Reaktionen in der Region aus. Während der Rorschacher CVP-Stadtrat Stefan Meier nichts dazu sagen möchte, verurteilt seine Kollegin Ariane Thür Wenger (SP) dessen Worte: «Ein Stadtpräsident sollte nicht so reden», sagt sie. Es gebe keinen gesunden Rassismus und auch keine Entschuldigung für Rassismus.
Auch Michael Götte, Gemeindepräsident von Tübach und Parteikollege von Müller, distanziert sich. Er halte nichts von «solchen Wortspielen. Rassismus hat nichts mit einer kritischen Haltung gegenüber Ausländern zu tun, sondern ist grundsätzlich zu verurteilen», sagt Götte. Die Aussage Müllers, er respektiere die Religionsfreiheit, der Islam habe in der Schweiz aber nichts verloren, gehe für ihn nicht auf, sagt Götte. «Wer die Religionsfreiheit respektiert, kann keine Religion einfach ausschliessen.»
Götte schliesst sich Müllers Haltung aber an, wenn es darum geht, dass sich alle, die hier leben wollen, an die hiesigen Gesetze zu halten hätten. «Ich bin auch der Auffassung, dass die Justiz mit Ausländern, die sich nicht an die Rechtsnormen halten, eher zu nachsichtig umgeht.» Tübach habe aber einen viel kleineren Ausländeranteil als Rorschach und deshalb auch weniger anspruchsvolle Integrationsaufgaben, gibt Götte zu bedenken.
«Überspitzt, aber im Kern richtig»
Zuspruch erhält Müller auch für seine Haltung in Bezug auf ein neues Religionsgesetz, das im Kantonsrat diskutiert wird und dem Islam einen rechtlichen Status verleihen soll. Müller hält das Gesetz für unnötig. Ebenso Dominik Gemperli, Gemeindepräsident von Goldach (CVP). Die Aussagen Müllers kämen zwar überspitzt und teils übertrieben daher, aber «das Gesetz ist unnötig. Integration funktioniert nicht über Gesetzestexte. Man muss von Zugewanderten auch einfordern, dass sie sich integrieren», sagt Gemperli. So erlebe er manchmal, dass Kinder ausländischer Eltern beim Schuleintritt kaum Deutsch sprächen, was schwierig sei. «Bei uns wird da teils zu wenig getan.»
Applaus dafür, dass er zu seiner Meinung steht
Gemperli findet für Müller auch lobende Worte. «Ich schätze Thomas Müller grundsätzlich sehr. Er ist ein Politiker, der authentisch seine Meinung zum Ausdruck bringt und Klartext redet», schickt er denn auch voraus. «Seine Aussagen zu einem gesunden Rassismus empfinde ich allerdings als deplatziert.» Ähnlich tönt es aus Rorschacherberg. So kann FDP-Gemeindepräsident Beat Hirs die Aufregung nach Müllers «Rundumschlag» nicht verstehen. «So funktioniert doch Demokratie. Es ist richtig, dass Thomas Müller zu seinen Aussagen steht. Die Stimmbürger von Rorschach kennen ihn und haben ihn auch deshalb gewählt, weil er so authentisch ist», sagt Hirs.
Inhaltlich wolle er zu Müllers Aussagen nicht Stellung nehmen. Er vermutet aber, dass dessen unzimperliches Auftreten mit seinem Doppelmandat als Stadtpräsident und Nationalrat zusammenhängt. «Müller ist sich gewohnt, greifbar und prägnant zu formulieren. Er weiss, dass er damit auch provoziert», sagt Hirs.
Thür Wenger kann dieser Art zu politisieren dennoch nichts abgewinnen. «Es ist der falsche Weg, Leute aus einer Bevölkerungsgruppe in eine Ecke zu stellen. Rorschach ist eine offene Stadt. Man sollte die Leute miteinander verbinden, die ihre Religion auf tolerante und moderate Weise leben wollen.» Zudem hätten Rorschachs Schulen Vorbildcharakter punkto Integration. Und selbst Gemperli räumt ein, in der Region sei der Grossteil der muslimischen Bevölkerung «sehr willens», sich zu integrieren. Eine pauschale Verurteilung dieser Bevölkerungsgruppe sei «hoffentlich nicht Müllers Absicht» gewesen.
So gibt auch Felix Bischofberger, CVP-Präsident der Region Rorschach, zu bedenken, Müllers Haltung könnten der Stadt Rorschach schaden. Bischofberger stört sich am «einseitig feindlichen Ton», den Rorschachs Stadtpräsident in besagtem Interview angeschlagen hat.
«Ein Stadtpräsident sollte nicht so reden. Rorschach ist eine offene Stadt, unsere Schulen haben Vorbildcharakter punkto Integration.»