Esoterische Staatsverweigerer

SDA. Ein Zirkel spiritueller Weltverbesserer organisiert öffentliche Veranstaltungen. In Solothurn und Thun kommt es zum Eklat. Vorwurf: braunes Gedankengut. Heino Fankhauser, Sprecher der Gruppe, wehrt sich. Das Treffen mit ihm gibt Einblick in eine schwer fassbare Welt von Staatsverweigerern und Esoterikern.

Was Heino Fankhauser anbietet, klingt zumindest im ersten Moment eher schrullig als bedrohlich. Er ist der Kopf einer Gruppe, die sich Ciné 12 nennt. Sie organisiert in Restaurants öffentliche Diskussionsrunden und Vorträge über naturnahes Leben, ökologische Gartenpflege, Weltverbesserungsvorschläge und spirituelle Energien. Da referierte jüngst eine gewisse Christa Laib-Jasinski über «die Zivilisation im Innern der Erde». Ein anderes Mal trat ein Greis mit weissem Vollbart und Edelweisshemd auf. Sein Thema: «Die verdrängte Hälfte in uns». Auf der Referentenliste finden sich auch ein «Wissenschaftler» mit einer Maschine, die angeblich aus Wasser Öl macht, sowie der bekannte, aber umstrittene Historiker Daniele Ganser. Die Vorträge locken rund fünfzig Gäste an und werden auf Youtube publiziert. 7000 User haben den Kanal abonniert.

Falscher Gast

Doch nun haben die Spirituellen ein Problem: Ciné 12 hatte für den 22. Juni den Deutschen Frank L.* als Redner eingeladen. L. gilt als rechtsextremer Esoteriker. Er wollte über «die slawischarischen Weden – das Urahnenerbe der weissen Rasa», referieren. Er leugnet zwar den Holocaust nicht, gibt aber Statements, in welchen er die offizielle Geschichtsschreibung zumindest relativiert: «Es gab viele Holocausts.» Auf seiner Website spielt er mit verfremdeten Hakenkreuzen und macht sich lustig über jene, die darin Symbole des Nationalsozialismus sehen. Daneben gibt sich auch L. als spiritueller Naturmensch, propagiert Selbstversorgung aus dem eigenen Garten.

Als die Betreiber des Restaurants Kreuz – das Solothurner Stammlokal von Ciné 12 – von L.s Einladung erfuhren, reagierten sie blitzschnell: Die Genossenschaftsbeiz, Treffpunkt der linken Szene, distanzierte sich von ihren Stammgästen und untersagte ihnen, den Namen Ciné 12 je wieder in Verbindung mit dem Kreuz zu bringen. Die «Solothurner Zeitung» berichtete über den Vorfall und nannte Ciné 12 einen «braunen Stammtisch».

Die Bitte der Esoteriker

Noch gleichentags, das zeigen Nachforschungen dieser Zeitung, distanzierte sich auch das zweite Stammlokal, das Restaurant Lamm in Thun. Betreiberin der Beiz ist die Stiftung Pluspunkt. Deren Geschäftsführer, der Thuner EVP-Stadtrat Jonas Baumann, sagt: Man habe Ciné 12 mitgeteilt, dass sie im Lamm nicht mehr erwünscht seien, weil «wir als soziale Unternehmung nicht mit rechtsextremem Gedankengut in Verbindung gebracht werden wollen». Ausschlaggebend sei die Einladung von Frank L., welcher «als eine Leitfigur in der braunesoterischen Szene» gelte. Ciné 12 habe zwar festgehalten, dass sie sich von extremem Gedankengut distanziere, schreibt der EVP-Politiker. Doch für ihn sei das wenig glaubhaft, «wenn sie gleichzeitig in der Absage des Vortrages die Worte ‹leider› und ‹schmerzlicher Entscheid› benutzen». Ähnlich wurde Ciné 12 bei der Thuner Stadtverwaltung abgewiesen. Die Gruppe wollte die Thuner Aula als Ersatzlokal für künftige Treffen. Nun fleht Fankhauser auf der Ciné-12-Website. Man bitte die Stadt und den Gasthof Lamm, «unseren langjährigen Partner», aufrichtig, die Entscheidung zu überdenken. Man setze alles daran, «unseren guten Ruf zu erhalten», schreibt er dort.

Das Treffen

Ein Treffen mit dem Mann, der den umstrittenen Zirkel nach aussen vertritt, soll zeigen, wie ernst den Esoterikern die Abgrenzung zur braunen Szene ist. Treffpunkt Gasthof Sonne in Schwarzenburg. Fankhauser ist pünktlich, begrüsst herzlich. Kurz nachdem man sich in der Gaststube gesetzt hat, braust er allerdings ein erstes Mal auf. Die Fragen des Journalisten sind in seinen Augen eine einzige Aneinanderreihung von Vorurteilen. Es wird klar, dass dieser Mann schwer zu fassen ist. Bis vor ein paar Jahren hat der 42-Jährige in Thun gewohnt, heute lebt er im Wohnwagen, im Moment in Guggisberg. Eine Berufsausbildung hat er nicht, dafür hat er jahrelang «selber Bücher und Dokumente» studiert. Er wisse viel, betont er.

Fankhauser redet schnell und viel, oft über – zumindest für Nichteingeweihte – wirre Theorien. Er beharrt darauf, geduzt zu werden. Denn er habe eigentlich gar keinen Nachnamen. Er unterscheide zwischen Mensch und Person, die Person sei eigentlich nur ein formelles Konstrukt. Die Person Fankhauser gehöre dem Staat. Deshalb habe er sie ihm in einem offiziellen Akt zurückgegeben. Seither sei er nur noch «Mensch Heino aus der Familie Fankhauser».

Es folgt ein kaum zu bremsender Monolog über das Verhältnis zwischen ihm und dem Staat. Bussen und Steuern bezahle er grundsätzlich nicht, weil in der Schweiz sowieso alles doppelt und dreifach besteuert werde, was gemäss der Bundesverfassung verboten sei. Gerichte in der Schweiz sind seiner Meinung nach ohnehin nicht legitimiert, über Menschen zu urteilen.

Dafür ist er Mitbegründer eines wilden Gerichts: des Internationalen Justizgerichtshof für Naturrecht, Menschenrecht, Völkerrecht und allgemeingültige Rechtsprechung. Was klingt wie ein schlechter Scherz, ist eine von Privatpersonen in einem Akt von Selbstanmassung tatsächlich gegründete Organisation. Ursprünglich hiess sie: International Common Law Court of Justice Vienna. Fankhauser verweist auf eine entsprechende Website. Das Gericht ist für ihn eine todernste Sache.

Die Mitglieder dieses Fantasiegerichtshofes werden zu den Staatsverweigerern gezählt. Einige Experten halten sie für gefährlich. In Deutschland und Österreich gibt es derzeit mehrere schnell wachsende Gruppen von Staatsverweigerern. Die Gruppierungen tragen Namen wie «Reichsbürger», «Staatenbund Österreich» oder «Freeman». Nicht alle berufen sich auf rechtsextremes Gedankengut. Aber alle sind Tummelfelder, wo nicht selten Rechtsextreme auf Weltverbesserer und Spirituelle auf Verschwörungstheoretiker treffen (siehe Kasten).

Verbotene Bücher

Zurück zum Mann am Holztisch in der Sonne: Er, Heino, hinterfrage alles, sei ein sehr kritisch denkender Mensch, fährt er fort. Man werde von den Regierungen eigentlich nur angelogen. Die offizielle Geschichtsschreibung über den 11. September 2001 zum Beispiel sei nicht mehr als ein Märchen, und die meisten Politiker seien Marionetten, auch in der Schweiz. Und ja, manchmal provoziere er. Aber eines seiner grössten Anliegen sei, die Zerstörung der Natur durch den Menschen aufzuhalten. Dafür kämpft er auch mit der Gruppe Ciné 12.

Zum Thema Holocaust bekräftigt Fankhauser: Nein, er sei definitiv kein Leugner dieser Gräueltaten, er sei weder antisemitisch noch rechtsextrem. Wenige Minuten später schwärmt er allerdings von den Büchern von Jan van Helsing. Helsing, der mit bürgerlichem Namen Jan Udo Holey heisst, behauptet, es gebe eine weltweite Verschwörung von Freimaurern und einer jüdischen Elite. Zwei seiner Bücher sind in der Schweiz wegen Verstosses gegen das Antirassismusgesetz verboten. Für Fankhauser ist klar, dass die Verurteilung des Autors Verleumdung ist. «Man will einfach die Wahrheit nicht hören, geschweige denn verstehen.»

Im Zeichen des Friedens

Fankhauser versichert, er sei spirituell veranlagt und würde niemals je einem Menschen Gewalt antun. Ein Video auf Youtube – aufgenommen vor drei Jahren – zeigt ihn auf einem Platz in Zürich. Er nimmt dort an einer Friedensmahnwache teil. Vor ihm ist ein grosses Peace-Zeichen auf den Asphalt gemalt. Zwei Dutzend Menschen haben sich im Kreis um ihn versammelt. Er beschwört den Weltfrieden, kritisiert die Politik und «das System» und fordert die Versammelten auf, ihren Konsum zu drosseln, der Umwelt zuliebe, ökologisch zu denken und die grossen Detailhandelsketten einfach zu ignorieren.

Drei Stunden dauert die Unterredung in der Sonne. Es bleibt der Eindruck, dass hier ein Mann geredet hat, der niemals gegen eine Rasse hetzen würde, der aber, wohl auch aus Unwissen, für sehr vieles – vielleicht zu vieles – offen ist.

Fankhauser, der nicht mit Fankhauser angesprochen werden will, reist direkt nach der Unterredung in Schwarzenburg nach Thun an eine Veranstaltung von Ciné 12. Die Esoteriker haben dort ein neues Lokal, wieder ein Restaurant, gefunden, wo sie ihre Diskussionsrunden durchführen und zu Vorträgen einladen können. Von L. distanziert man sich offiziell. Die Sache mit dem umstrittenen Gast will man möglichst schnell hinter sich lassen.

L. provoziert Thun

L. hingegen scheinen Absagen anzustacheln. Im Juni hat die Solothurner Kantonsbehörde bereits verhindert, dass er in der ehemaligen Höhenklinik auf dem Allerheiligenberg reden darf. Nach der Absage in Thun kündigt er den Thunern in einer Tonaufzeichnung auf einer Website im Internet den Kampf an: «Die Stadt Thun ist eine Freimaurerhochburg. Ich werde dort wieder hinkommen, und ich werde in Thun reden», sagt L. Die Ausladung lasse er nicht auf sich sitzen. «Da können sie sich auf den Kopf stellen.» Er wisse auch schon, wo er reden werde. «Auch die Termine stehen eigentlich schon.» Und das Schöne sei, dass er es nun nicht mehr im Voraus öffentlich preisgebe, wo er auftreten werde. L. will auch in anderen Schweizer Städten reden. Auf Mailanfragen dieser Zeitung hat er nicht reagiert.

* Name der Redaktion bekannt

GRUPPIERUNGEN

Sogenannte Staatsverweigerer liegen im deutschsprachigen im Raum Trend. In Österreich und Deutschland machen sich die Behörden Sorgen um die schnell wachsende Bewegung. Laut dem Innenministerium hat sich die Zahl der österreichischen Staatsverweigerer innert eines Jahres fast verdoppelt – von 750 auf 1450. Dazu kommen 20 000 Sympathisanten.

Staatsverweigerer ist ein Sammelbegriff für viele unterschiedliche Organisationen. Der gemeinsame Nenner: Sie anerkennen staatliche Institutionen nicht. Die «Reichsbürger» etwa bestreiten die Existenz der Bundesrepublik Deutschland als Staat. Der echte Staat ist für sie das Deutsche Reich. Sie versuchen, den Rechtsstaat auszuhebeln, indem sie «Reichspässe» ausstellen und Steuerrechnungen ignorieren. Viele «Reichsbürger» sympathisieren mit rechtsextremem, völkischem Gedankengut, sie gelten als Verschwörungstheoretiker und berufen sich auf esoterische Legenden.

Andere Staatsverweigerer zählen sich zur Freeman-Bewegung. Sie haben dem Staat «gekündigt» und berufen sich auf ein Naturgesetz. Der fiktive Gerichtshof, den Heino Fankhauser mitbegründet hat, steht dieser Bewegung nahe. Jüngst wurden in Österreich sechs Mitglieder dieses Gerichts verurteilt, weil sie Leute, die sie an ihrem Gericht angeklagt hatten, verfolgten.