Charlotte Theile: «Ist die AfD zu stoppen? Die Schweiz als Vorbild der neuen Rechten». Rotpunktverlag. Zürich 2017. 192 Seiten. 18 Franken.
Die Wochenzeitung. Bei der Lektüre von Charlotte Theiles Buch über den Rechtspopulismus in der Schweiz und in Deutschland kommt einem unweigerlich die Frage aus der Ricola-Werbung in den Sinn: Wer hats erfunden, die SVP oder die AfD? Das Problem liegt nicht in der Antwort, wonach zuerst die SchweizerInnen eine rechtspopulistische Partei wählten. Schliesslich wird der Extremismus der SVP hierzulande konstant unterschätzt. Das Problem liegt in der Fragestellung selbst, die ironischerweise der Denkart der SVP folgt: Wenn die Schweiz einzigartig ist, muss auch ihr Rechtspopulismus vorbildlich sein.
In einem ersten Teil von «Ist die AfD zu stoppen? Die Schweiz als Vorbild der neuen Rechten» zeichnet Theile, die als Korrespondentin der «Süddeutschen Zeitung» arbeitet, den Aufstieg der SVP in den letzten 25 Jahren nach. Zwar erfährt man wenig Neues, die Zusammenstellung entfaltet dennoch ihre Wirkung: Wie stark die SVP ihren rassistischen Diskurs normalisieren konnte, zeigt Theile in ihren Ausführungen zur Medienmacht (nur bestehende Marken übernehmen, die Vertrauen ausstrahlen) oder zum Umgang mit dem rechten Rand (Hetzer wie Andreas Glarner tolerieren, weil sich Rechtsextreme mit ihnen identifizieren).
Im zweiten Teil des Buchs folgt der Vergleich mit der AfD. Belege für den Vorbildcharakter der SVP beschränken sich auf Bemerkungen wie die von AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel, die SVP sei eine «Schwesterpartei». Zudem hegt die Parteileitung der AfD ein starkes Interesse an der direkten Demokratie in der Schweiz, insbesondere am Initiativrecht. Neues weiss die Autorin offenbar zur konkreten Zusammenarbeit zwischen dem AfD-Unterstützungsverein «Für Recht und Freiheit» und der SVP-Werbeagentur Goal (siehe WOZ Nr. 20/17). Sie kennt einen Geldgeber des Vereins, doch leider nennt sie den Namen nicht.
Was bei der Frage nach Vor- und Abbild unter den Tisch fällt, sind die gemeinsamen Ursachen für den Rechtspopulismus überall in Europa, insbesondere die ökonomische Ungleichheit. Das Rezept zur Bekämpfung, das Theile am Abstimmungskampf gegen die «Durchsetzungsinitiative» nachzeichnet, würde schliesslich auch überall wirken: RechtspopulistInnen nicht mit einzelnen Argumenten begegnen, sondern mit einem neuen Gesprächsthema. Kaspar Surber