Die einen wollen für direkte Demokratie demonstrieren – und dürfen. Die anderen dürfen nicht – und tun es trotzdem. Aller Voraussicht nach mit Gewalt. Die Stadt Bern ist aber gerüstet.
«Solche Leute haben jeden Respekt vor der Demokratie verloren», sagte BDP-Stadtrat Philip Kohli am vergangenen Donnerstag im Berner Parlament, wo die jüngsten Krawalle im Zusammenhang mit Hausbesetzungen diskutiert wurden. Viel wurde gesprochen, noch mehr gefordert. Der einzige gemeinsame Nenner: Gewalt ist keine Lösung.
Den Respekt vor Demokratie offenbar nicht verloren haben hingegen die SVP-nahen Organisatoren der für den 18. März geplanten Kundgebung auf dem Bundesplatz. Auf der Einladung des rechten Bürgerkomitees Brennpunkt Schweiz, welches in der Sache den Lead übernommen hat, steht: «Wir sind die direkte Demokratie.»
Keine Beteiligung der SVP
In «keiner Art und Weise» an der Kundgebung beteiligt ist die SVP Schweiz, wie Generalsekretär Gabriel Lüchinger gegenüber der NZZ bestätigt. Es sei aber das gute Recht jedes freien Schweizer Bürgers, mit einer friedlichen Kundgebung zu protestieren. Unterstützt wird die Veranstaltung dafür von der ebenfalls rechten Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (Auns).
Die Vorstandsmitglieder des Bürgerkomitees Brennpunkt Schweiz – der 53-jährige Roland Staub und der 20-jährige SVP-Mann Nils Fiechter – erklären ihre Motivation über Youtube wie folgt: Es gehe ihnen bei der Kundgebung um «die wichtigste Errungenschaft unseres Landes, die direkte Demokratie». Zum Aufmarsch veranlasst hat das Komitee die in ihren Augen mehr als verwässerte Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative durch das Parlament.
Gemäss Facebook haben sich zur Kundgebung bisher rund 300 Personen angemeldet; um die 600 haben ihr Interesse bekundet. Unter diesen sollen sich auch zahlreiche Rechtsextreme befinden. Die Organisatoren rechnen mit über tausend Teilnehmern. Der Stadtberner Sicherheitsdirektor Reto Nause (cvp.) möchte diesbezüglich «nicht Kaffeesatz lesen». Es handle sich aber sicher nicht um eine «Mini-Kundgebung».
Juso darf nicht demonstrieren
Nicht bewilligt wurde hingegen eine von den Jungsozialisten (Juso) geplante Gegendemonstration. Die Stadt Bern fürchtet sich vor Ausschreitungen, sollten Linke und Rechte aufeinandertreffen. «Bilder wie im Jahr 2007 dürfen sich auf keinen Fall wiederholen», sagt Nause. Damals verhinderten Hunderte von Autonomen eine SVP-Kundgebung auf dem Bundesplatz. 21 Verletzte, 42 Festnahmen und Sachschäden in unbekannter Höhe waren die Folge.
Juso-Präsidentin Tamara Funiciello zeigt sich enttäuscht ob des negativen Bescheids: «Jeder sollte ein Recht auf Meinungsäusserung haben.» Mit einer Gegenveranstaltung habe die Linke ebenfalls für Demokratie demonstrieren wollen, aber für eine, die nicht exklusiv sei. «Demokratie ist kein Privileg des roten Passes», sagt Funiciello. Menschen, die in der Schweiz lebten, sollten politisch partizipieren dürfen. Funiciello ärgert sich zudem über das Publikum, das durch diese Veranstaltung angezogen werde. Hier käme «nicht nur der nette kleine Bürgerliche», sondern hier kämen Menschen, die «faschistisches und rassistisches Gedankengut» verbreiteten. «Das ist keine Meinung, das ist ein Verbrechen.»
Nun demonstriere man gleichentags halt in Zürich am Women’s March. Auf spontane, wahrscheinlich gewaltvolle Gegenaktionen von Linksextremen in Bern dürfte gemäss einschlägigen Foren allerdings kaum verzichtet werden.
Grosses Polizeiaufgebot
Wie der Sicherheitsdirektor sagt, sei man mit einem grossen Polizeiaufgebot «gut vorbereitet». Seit Monaten wisse man von der Veranstaltung; die Organisatoren hätten mit den Behörden kooperiert. Bei der Veranstaltung handle es sich um eine Platz-Kundgebung, einen Marsch durch die Innenstadt werde es nicht geben. Der Bundesplatz werde für die Öffentlichkeit nicht frei zugänglich sein; die Veranstalter würden mithilfe einer privaten Sicherheitsfirma Zutrittskontrollen vornehmen. Dies sei bei grösseren Kundgebungen Usus, sagt Nause. Die Organisatoren bestimmten, wer Zutritt erhalte. Laut Fiechter werden «Personen, welche links- oder rechtsextreme Parolen äussern oder derartige Symbole mit sich tragen, nicht auf den Bundesplatz gelassen». Auch der Gastredner stamme nicht aus einer «rechtskonservativen Ecke». Nause findet, die Veranstalter grenzten sich von Rechtsextremismus klar ab. Es gebe keine Argumente, um die Kundgebung zu verbieten. Die Situation würde sich ändern, wären Rechtsaussengruppierungen in der Organisation der Kundgebung aktiv.