Von Andreas Fagetti (Text) und FLORIAN BACHMANN (Foto)
Markus Portmann (55) kann ziemlich radikal werden, wenn sein Gerechtigkeitsgefühl verletzt wird. «Geht es gegen Schwache,werde ich militant und setze mich für sie ein», sagt er. Das war schonder Fall, als er einst in Ställe einstieg und die Folgen vonMassentierhaltung dokumentierte. Das war auch später so, als sichPortmann vom Verein gegen Tierfabriken abwandte, weil VereinspräsidentErwin Kessler gegen die Einführung der Antirassismusstrafnorm Sturmlief. Und es war auch der Fall, als er sich mit einem WinterthurerJournalisten solidarisierte, der den Rheintaler SVP-LokalpolitikerMarcel Toeltl auf Twitter als «Braunwurst» und «Trottel» bezeichnethatte, deswegen von Toeltl angezeigt und inzwischen rechtskräftig wegenübler Nachrede und Beschimpfung verurteilt wurde. Portmann fand, eskönne nicht sein, dass ausgerechnet ein «übler Hetzer gegen Flüchtlinge» den Beleidigten spiele.
«Der weisse Mensch rottet sich aus»
Toeltl, Präsident der SVP St. Margrethen, sondertauf seinem Blog regelmässig schlimme Elaborate ab: «Unsere Gender-Turbos tun alles, damit der weisse Mensch sich nicht mehr klar orientierenkann über seine Sexualität und seine Rolle zur Erhaltung der SpeziesMensch. Der weisse Mensch rottet sich damit selber aus, während dem sich nicht weisse Menschen vermehren was das Zeug hält.» Oder: «Nachdem dann die kritische Masse, und damit mein ich auch die Sättigungvermeintlicher Flüchtlinge überschritten wurde, hört’s nicht auf. Gerade Flüchtlinge aus Eritrea und Syrien, welche nachweislich einen sehrtiefen Länder IQ haben, sind in unserem Land, wirtschaftlich gesehen,Fehl am Platz.» (Fehler im Original, Anm. d. Red.) Markus Portmannwollte ein Zeichen setzen. Er schickte Toeltl ein Mail: «Sind Sie nunein Brauner oder nur ein Trottel? Aufgrund Ihrer Grundhaltung wohlbeides, und ein Brauner ist ja per se ein Trottel. Ihre latenteAusländer- und Fremdenhetzschreiberei zeigt es: Sie sind ‹nöd deHellscht› – ein übler Rechtsaussen-Fettsack mit Spatzenhirni. EinWichtigtuer. Eine Wurst.» Toeltl zeigte Portmann an – und hatteErfolg: Das Kreisgericht St. Gallen verurteilte Portmann im Juli 2015wegen Beschimpfung. Toeltl dagegen wurde im November 2015 vomKreisgericht Altstätten vom Vorwurf der Rassendiskriminierungfreigesprochen.
Portmann konnte immerhin aufgrund vonTatsachenbeweisen eine Strafbefreiung erwirken. Damit ist er nichtvorbestraft. Er hatte Toeltls Aktivitäten auf dessen Blog, auf Facebookund auf Twitter gründlich recherchiert und konnte aufzeigen, dass sichToeltl online in Netzwerken von Rechtsextremen,GeschichtsrevisionistInnen, Islam- und JudenhasserInnen und Neonazisbewegt.
Portmann hätte jetzt Ruhe geben können. Aber derehemalige Parteisekretär der St. Galler Grünliberalen liess nichtlocker. Vor einem Jahr hinterliess er auf einer Internetseite einenKommentar: «Was man schon längst hätte fragen sollen: HerrParteipräsident Huser (Kantonalpräsident der St. Galler SVP, Anm. d.Red.), wie haben Sie’s mit dem braunen Pack in Ihrer Partei? Siekandidieren gemeinsam mit dem Obmann der Dorfpartei St. Margrethen,einem bekennenden Rassisten und Nazi-Sympathisanten, auf derWahlkreisliste für den Kantonsrat.»
Die Reaktion liess nicht lange auf sich warten.Toeltl zeigte ihn abermals an, diesmal wegen Verleumdung und üblerNachrede. Doch jetzt war Markus Portmann noch besser vorbereitet. Erreichte detaillierte und umfangreich dokumentierte Entlastungsbeweiseein. Portmann dokumentierte unter anderem rassistische Textpassagen aufToeltls Blog, seine Twitter-Verbindungen mit Neonazis sowie dessenMitgliedschaft in Communitys von «SchweizerKrieger», einerrechtsextremen Plattform. Toeltl, so Portmann, verbreite unter anderemauch regelmässig Texte und Bilder des rechtsextremen IslamhassersKarl-Michael Merkle. Diesen darf man laut einem Urteil des LandgerichtsStuttgart vom Juni 2015 als «bekannten Neonazi» bezeichnen.
Vernichtendes Urteil
Die Staatsanwaltschaft verfügte im August letztenJahres daraufhin die Einstellung des Verfahrens gegen Markus Portmann.Die Einstellungsverfügung ist ein interessantes Dokument. Dort drinheisst es unter anderem: «Betrachtet man Marcel Toeltls Kommentare unddessen Kontakte in den sozialen Medien, wie vom Beschuldigten geltendgemacht, als ein Gesamtwerk, kommt man zu dem Schluss, dass derBeschuldigte zumindest in guten Treuen davon ausgehen konnte, dass seine Äusserungen bezüglich Marcel Toeltl der Wahrheit entsprechen (…). DasVerfahren wegen übler Nachrede wird daher eingestellt.» Und: «DieTatsache, dass Marcel Toeltl für einen seiner Blogeinträge vom Verstossgegen den Antirassismusartikel freigesprochen wurde, ändert darannichts.»
Marcel Toeltl liess die Einstellungsverfügungdurch seinen Anwalt Hermann Lei bei der Anklagekammer St. Gallenanfechten. Die Anklagekammer schützte den Entscheid derStaatsanwaltschaft – und begründete in ihrem umfangreichen undakribisch hergeleiteten Entscheid, weshalb Markus Portmann denSVP-Politiker als «bekennenden Rassisten» und «Nazi-Sympathisanten»bezeichnen darf. Zitat: «Da der Beschwerdeführer seine Meinung mehrfachund öffentlich im Internet äusserte, hat er sich zu dieser auch bekannt. Den Umstand, als ‹bekennender Rassist› wahrgenommen zu werden, hat ersich daher selber zuzuschreiben und angesichts seiner wohl bewusstprovozierenden Äusserungen – zumal als Präsident einer Ortsparteiund damit als regional bekannte politische Figur – auch gefallen zu lassen.»
Ein vernichtendes Urteil für Toeltl – und die SVP-Kantonalpartei. Nun hat sie einen «bekennenden Rassisten» in ihrenReihen. Toeltl beziehungsweise sein Anwalt Hermann Lei ziehen denEntscheid ans Bundesgericht weiter.
Toeltl ist kein Einzelfall. In Wil SG wurde derehemalige SVP-Stadtparlamentarier Mario Schmitt im Sommer 2015 aufgrundeines Islam-Posts in erster Instanz wegen Rassendiskriminierungverurteilt. Sein Anwalt: Hermann Lei. Schmitt und Lei haben das Urteilans Kantonsgericht weitergezogen. In Zürich macht derzeit der Fall desehemaligen SVP-Lokalpolitikers Christian Klambaur aus Rüti Schlagzeilen. Auf seiner Facebook-Seite war ein rassistisches Video gepostet.Klambaur kam offenbar mit seinem Austritt aus der SVP einemParteiausschluss zuvor.
Markus Portmann hat erreicht, worum es ihm in solchen Fällen geht: dass man einen Rassisten als Rassisten bezeichnen darf.