SonntagsZeitung: Der mutmassliche Terrorhelfer gilt als Schlüsselfigur im Prozess gegen Beate Zschäpe
Bern Seit 300 Verhandlungstagen schleppt sich am Münchner Obergericht der Prozess gegen Beate Zschäpe und die mutmasslichen Unterstützer des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) dahin. Die Mitglieder der rechtsextremen Terrorzelle haben zehn Menschen umgebracht.
Jetzt könnte neue Bewegung ins Verfahren kommen. Grund: Ralf Marschner, 44, ein Neonazi, der in Sevelen SG wohnt.
In den letzten Monaten geriet er in den Fokus der Ermittler. Marschner spitzelte unter dem Decknamen «Primus» ab 1992 zehn Jahre lang als V-Mann des Verfassungsschutzes und gilt mittlerweile als Schlüsselfigur bei der Aufklärung der Morde. Weil gegen ihn ein Haftbefehl vorliegt, bereiten die deutschen Behörden nun ein Auslieferungsgesuch an die Schweiz vor. Damit steigen die Chancen, dass er schon bald vor Gericht in München vernommen werden kann.
Wie das NSU-Trio stammt Marschner aus dem deutschen Zwickau. Dort soll er mehrere der mutmasslichen Rechtsterroristen in seinen Unternehmen beschäftigt haben, darunter die Hauptangeklagte Beate Zschäpe. Was wusste Marschner von den Morden? Hat er den NSU aktiv unterstützt?
Angesichts einer möglichen Auslieferung fordern Opferanwälte bereits, dass Marschner als Zeuge im Prozess angehört wird. Und auch der NSU-Untersuchungsausschuss im Bundestag will sich den früheren V-Mann vorknüpfen.
In Deutschland gesucht wegen Insolvenzverschleppung
Der Haftbefehl, der dem Neonazi zum Verhängnis werden könnte, erliessen die Behörden vergleichsweise wegen einer Lappalie. Marschner hatte es 2007 versäumt, die Insolvenz für seine pleitegegangene Firma zu melden. Stattdessen setzte er sich fluchtartig ins Ausland ab. In Abwesenheit wurde er 2009 wegen Insolvenzverschleppung zu einer Strafe von 4500 Euro verurteilt.
Bis jetzt liess ihn die Justiz gewähren. Marschner lebt unbehelligt in der Schweiz, betreibt ein Antiquitätengeschäft in Lichtenstein. Das könnte sich bald ändern. «Das Auslieferungsgesuch ist in Vorbereitung», sagt Sebastian Hecht, Sprecher des Sächsischen Staatsministeriums. «Es wird demnächst ans Bundesamt für Justiz in Bern übersandt.»
Noch ist allerdings nicht klar, ob die Grundlage des Gesuchs für eine baldige Auslieferung reichen wird. Insolvenzverschleppung ist in der Schweiz nicht strafbar.
Marschner selbst bestreitet jegliche Verbindung mit dem NSU.