St. Galler Tagblatt: Der aus Herisau stammende Journalist Jürg Frischknecht war ein ruhiger Mensch, der mit akribischen Recherchen schweizweit Bekanntheit erlangte. Am Freitag wird sein Leben und Wirken an einer Trauerfeier in Zürich gewürdigt.
Seinen Appenzeller Dialekt hatte er auch nach Jahrzehnten in Zürich nicht verloren. Das Thema konnte noch so weltläufig sein, immer spürte man seine Wurzeln, nicht nur in der Sprache, auch in seiner Art. Selbst über seine brisantesten Erkenntnisse berichtete er ganz ruhig. Nach der Matura in St. Gallen studierte Jürg Frischknecht in Zürich und blieb dort seine ganze Berufskarriere lang freier Journalist, Buchautor und Journalisten-Ausbildner.
Bekannt wurde er, als er in den späten 1970er-Jahren als Mitglied des «Demokratischen Manifests» einen Spitzel in den eigenen Reihen enttarnte und danach aufdeckte, dass der Zürcher Grafiker und «Kommunistenfresser» Ernst Cincera eine Kartei mit mehr als 3000 «Linken» führte. Im Buch «Die unheimlichen Patrioten» befasste er sich zusammen mit Peter Haffner, Ueli Haldimann und Peter Niggli mit den Seilschaften der politischen Rechten. Frischknecht war auch ein engagierter Medienjournalist und publizierte mit «Kommerz auf Megaherz?» 1980 ein Dossier über die Privatradioszene.
V-Männer enttarnt
Jürg Frischknechts akribische Recherchen fanden auch bei jenen Redaktionen Beachtung, die für sein politisches Engagement eigentlich kein Verständnis hatten. So konnte er nicht nur in der damals linksliberalen «Basler Zeitung» oder im «Aargauer Tagblatt» publizieren, sondern unter anderem auch im «St. Galler Tagblatt». Später bildete er selber Journalistinnen und Journalisten aus, am Medienausbildungszentrum in Luzern und für die SRG.
Jürg Frischknecht schrieb von Anfang an für die linke «Wochenzeitung» (WOZ) und enthüllte dort gleich in der ersten Ausgabe 1981 geheime Bohrpläne der Nuklearindustrie. Später enttarnte er V-Männer und Agents Provocateurs, welche die Zürcher Politische Polizei in die Jugendbewegung eingeschleust hatte. Er blieb ein genauer Beobachter und Kenner der rechtsextremen und gewalttätigen Jugendszene in der Schweiz. 1994 erhielt er für sein journalistisches Engagement den «Nanny und Erich Fischhof»-Preis der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus in Zürich.
Texte über die Bergregionen
Nebst diesen Arbeiten engagierte sich Jürg Frischknecht im Bildungszentrum Salecina in Maloja und befasste sich mit verschiedensten Aspekten der Kultur und Entwicklung der Bergregionen. Er publizierte nicht nur ein Buch über die Filmlandschaft Südbünden, sondern spürte auch vergessenen Widerstandskämpfern nach oder einem in Samedan aufgewachsenen Eishockeyspieler und -trainer, der später als Kommunist in La Chaux-de-Fonds arg verfolgt wurde. Viele dieser spannenden Texte publizierte er im Magazin «piz».
Jürg Frischknecht und seine Partnerin und Mitautorin Ursula Bauer befassten sich auch mit dem russischen Grafen, Bergsteiger und Fotografen Anton von Rydzewski, dessen Fotos aus dem Bergell sie aus verschiedenen Quellen zusammensuchten und vor zehn Jahren neu herausgaben.
Dutzende Details am Wegrand
Dem Autorenpaar verdanken wir die wohl spannendsten Wanderbücher, die in den vergangenen Jahren erschienen sind. Das vergriffene «Grenzschlängeln» machte den Anfang einer inzwischen stattlichen Reihe im Rotpunktverlag. Die Autoren zeigen, dass zu einem modernen Wanderbuch weit mehr gehört als Routenbeschriebe. In ihren Werken erfährt man Dutzende Detailgeschichten vom Wegrand, Hinweise auf gute Restaurants und deren Geschichte, auf Hotels und soziale Ereignisse in den durchwanderten Orten. Dabei waren die beiden nicht nur in den Alpen unterwegs, sondern auch im Mittelland, und sie führen auf Wanderungen quer durch die Stadt Zürich zu Schauplätzen, deren Geschichte den meisten unbekannt war. Für ihre Wanderbücher erhielten die beiden bereits mehrere Preise.
Vor zehn Tagen ist Jürg Frischknecht im Alter von 69 Jahren an einem Krebsleiden gestorben. Am kommenden Freitag wird er an einer Trauerfeier in Zürich gewürdigt.