Hitlers Geburtshaus soll unkenntlich gemacht werden

Tages-Anzeiger: Die österreichische Regierung will das Haus in Braunau umbauen oder abreissen. Dafür müsste sie es aber erst einmal besitzen.

Wien

Österreichs Innenminister empfiehlt eine «tiefgreifende architektonische Umgestaltung». Was Wolfgang Sobotka von der bürgerlichen Regierungspartei ÖVP damit genau meint, bleibt offen. Die Tageszeitung «Die Presse» titelte, dass Hitlers Geburtshaus in der oberösterreichischen Kleinstadt Braunau abgerissen werde. Diese Ankündigung erwies sich als übertrieben. Gestern präzisierte der Innenminister, dass das Haus, in dem der spätere Diktator am 20. April 1889 geboren wurde, keine Erinnerungen an Hitler mehr bieten dürfe. Dazu werde es so umgestaltet, dass es «in der Aussenform nicht mehr erkennbar sein wird». Was vom Haus in welcher Form erhalten bleibt, darüber soll ein Architektenwettbewerb entscheiden.

«Haus der Verantwortung»

Historiker halten die komplette Umgestaltung oder gar den Abriss für wenig sinnvoll. Es würde keine Probleme der Stadt mit dem Image als Geburtsort Hitlers lösen, sagt der Vorsitzende des Vereins für Zeitgeschichte, Florian Kotanko. Der Politikwissenschafter Andreas Maislinger hätte in dem Gebäude gern ein «Haus der Verantwortung» gegründet. Er beschuldigt im Gespräch mit dem «Standard» den Innenminister, den «Weg der Eskalation» zu gehen. Noch kann der Minister gar nichts entscheiden, weil das Haus in Privatbesitz ist. Die Eigentümerin hatte es jahrelang an eine Behindertenwerkstatt vermietet. Diese zog 2011 aus, weil kein behindertengerechter Umbau möglich war. Seither zahlt das Innenministerium etwa 5000 Euro Monatsmiete, ohne die Räumlichkeiten zu nutzen. Weil die Eigentümerin das Haus nicht verkaufen will, hat Sobotka ein eigenes Enteignungsgesetz entwerfen lassen, das vom Parlament beschlossen werden muss. Es ist nicht die einzige Hürde: Das Biedermeierhaus, dessen älteste Mauern aus dem 17. Jahrhundert stammen, steht unter Denkmalschutz.

2012 wollte ein russischer Parlamentsabgeordneter das Haus kaufen und abreissen. Daraus wurde nichts. Der Bürgermeister von Braunau würde in dem Haus am liebsten ganz normale Wohnungen sehen. Gedenkstätten gebe es genug in der Umgebung. Auch der Innenminister verweist auf das KZ Mauthausen als offizielle Gedenkstätte an den Terror des Nationalsozialismus.

Pilgerstätte für Neonazis

Der Komplettumbau des Geburtshauses soll verhindern, dass der Ort zu einer Pilgerstätte für Neonazis werde. Allerdings gab es in den vergangenen Jahren gar keine grösseren Aufmärsche oder rechtsextreme Kundgebungen in Braunau. Die Szene trifft sich lieber an einsameren Plätzen: Vor zwei Jahren wurde im nahen Hausruck-Viertel eine Neonazi-Organisation zerschlagen, die dort einen Bauernhof gemietet hatte.

Hitler selbst verbrachte in Braunau nur die ersten drei Lebensjahre. Zu seinem Geburtsort hatte der Führer keinen Bezug. Beim Einmarsch der deutschen Truppen in Österreich 1938 fuhr er zwar durch, blieb aber bei seinem Geburtshaus nicht einmal stehen.