Obersee Nachrichten: Letztes Wochenende ging am Obersee das Nazitum um, und ein Medienhype. Die ON waren weit weg und trotzdem mittendrin. Das Ganze kommt die Steuerzahler teuer zu stehen.
Letzten Samstag rückte unsere Region mit Rechtsradikalismus, Neo-Nazis und Nervosität im Internet in die Schlagzeilen. Das geschah auch deshalb, weil eine Woche zuvor im Toggenburg ein «Rechtsrock-Konzert» stattfand. Auch wenn die Polizei dort «von einem friedlichen Anlass» sprach, vermochte dieser die Sensibilität gewisser Leute gegenüber Rechtsgesinnung ins fast Unermessliche zu steigern. Rapperswil und Kaltbrunn erlebten eine grossstädtische und teure Aufregung.
Rappi wird zur «Nazi-Stadt»
Ich, der Schreibende, weilte nicht in der «plötzlichen Nazi-Stadt Rapperswil», wie der «Südostschweiz»-Kolumnist Frédéric Zwicker nach der Aufregung im Internet schrieb, sondern in Portugal. Trotzdem war ich mitten im Geschehen. Dank eines Whatsapp-Chats, der für Nicht-Chatter schön aufzeigt, was im Internet los ist und wie Kriege losgetreten werden können (Alle folgenden Chat-Einträge sind im Original wiedergeben).
Am Samstag, 22. Oktober, 13.45 Uhr, erreicht mich nahe Lissabon eine SMS-Nachricht von Nils Rickert, Präsident der Grünliberalen von Rapperswil-Jona und Ex-Kantonsrat. Titel seines neuen Whatsapp-Chats:
«Kein Bock auf PNOS in RJ»
Der erste SMS-Schub ging an 36 Adressaten. Von Marc Hanslin (Ex-FDP-Präsident) über Kurt Kälin (neuer SVP-Stadtrat), Lukas Schmucki (CVP, Leiter Ratsdienst St. Gallen) bis zu Martin Stöckling (Kandidat Stadtpräsident). Später folgen noch viele weitere Personen, die unverlangt bedient wurden: Silvia Kündig (UGS), Raphael Weber (EX-SVP-Präsident), Stadtrat Furrer, Betim Bunjaku usw. Und eben: Auch mich hat es erwischt.
PNOS-Gefahr, Gegendemo!
Zuerst frage ich mich: Was ist bloss die PNOS? Wikipedia half: Es ist die seit 2000 bestehende «Partei National orientierter Schweizer» mit «eidgenössisch-sozialistischer» Ausrichtung. Seit Jahren bedeutungslos, polizeilich aber als «rechtsextreme Organisation» eingestuft, also das Pendant zu den «Linksextremen».
Inmitten der vielen SMS, die mein Handy empfängt, liefert Rickert dann eine Proklamation der Jungsozialisten Schweiz, also, des linken Flügels der SP Schweiz. Darin heisst es:
«Die PNOS feiert in Rapperswil. Noch überall lesen wir vom Rechtsrock-Konzert im Toggenburg.» Nun sei ein «Rechts Aussen»-Treffen in Rapperswil geplant. «Bewaffnet mit fröhlichen Ballonen» wollen die Jusos eine Gegen-Demo organisieren.
13.51 Uhr schreibt Nils Rickert: «Hallo zusammen. Das ist eine Whatsapp-Gruppe, mit der im Fall einer PNOS-Veranstaltung heute in Rappi möglichst schnell eine Gegendemo mobilisiert werden soll. Bitte Interessierte einladen. Gruess. Nils.»
Dann folgt wieder SMS an SMS. Schon rund 50 Leute im Chat.
Rappi oder Kaltbrunn?
14.01 Uhr, Nils Rickert: «Ich gebe allen Admin-Rechte, dann könnt ihr weitere Personen einladen.»
Es folgen weitere 34 Neueintritte in den Chat! Aber auch erste Austritte, so die Ex-Fernseh-Moderatorin Regula Späni. Sie meldet sich ab. Dafür meldet sich nun Betim Bunjaku, Stadtratskandidat: «Tolle Aktion Nils, Rapperswil-Jona ist offen für vieles, nicht aber für Nazi-Sympathisanten….»
14.15 Uhr, Nils Rickert: «Bitte nur bei News neue Messages, damit es nicht unübersichtlich wird.»
Ein Namenloser sendet ein Bild vom Restaurant Löwen, Kaltbrunn. Dort soll sich die PNOS treffen.
15.40 Uhr, Viviane schreibt: «Sorry fürs naive Fragen. Bin erst gerade wieder in der Schweiz gelandet und noch etwas am Aufholen, was Infos angeht. Werden wir in Rappi bleiben oder nach Kaltbrunn gehen?»
Neun Minuten später, Luana: «Dazu habe ich grad eine Anfrage von TVO bekommen. Weiss auch nicht. Geplant ist ja nichts, aber you never know.»
Auseinandersetzung?
15.56 Uhr, Namenlos: «Die Demo ist in Rappi wie geplant, evtl. wird gemeinsam entschieden, nach Kaltbrunn zu gehen.»
16.15 Uhr, Nils: «Hallo zusammen. Wichtige Info: Die Demo, um 17.00 Uhr am Bahnhof Rappi.»
Betty, Minuten später: «Hallo Nils. Gute Sache. Schau, ob ich ein paar Leute mobilisieren kann.»
Nils, gleich danach: «Wichtige Info: Die Demo um 17.00 Uhr am Bahnhof Rappi ist von der Antifa-Bewegung organisiert (Anmerkung: linksradikal/autonom) und nicht aus diesem Chat-Kreis. Natürlich kann man sich trotzdem anschliessen. Je nachdem ob rechtsradikale Kreise auftauchen, sind Auseinandersetzungen nicht auszuschliessen. Es wird keine andere Demo organisiert.»
Ram fragt: «Ist der Umzug mit dem Zug weiter?»
Demo aufgelöst
Namenlos meldet sich: «Nein aufgelöst. Polizei liess Demo nicht vom Bahnhofsplatz.» Ram: «Super danke.»
20.05 Uhr: Aufregungsende! Nils schickt ein Foto, gemacht um 17.53 Uhr, vom Bahnhof Rapperswil und schreibt: «Die Polizei hat mit einer Hundertschaft und einem Heli die rund 70 Demonstranten aus Antifa-Kreisen am unbewilligten Umzug gehindert und wieder zur Abreise bewegt. In Kaltbrunn bewacht ein weiteres Grossaufgebot der Polizei die Versammlung der rechtsradikalen PNOS (gemäss Tagesschau). Ich lösche die Gruppe.»
Guido: «Danke Nils. Ich bin ehrlich ziemlich deprimiert nach dieser Woche, die eine sehr schwierige für unseren Rechtsstaat war. Und unseren liberalen, aufklärerischen Geist auf eine harte Probe stellte. Grüsse an alle! SOLIDARITÄT!»
«Bin gerne nächstes Mal dabei»
Nicola: «Danke Nils, und Dan für optimale Information. Das Tagblatt hatte einen live Ticker dazu.»
Jetzt trudeln die Abmeldungen herein. Und Darius hofft auf die nächste Abwechslung im Leben. Er schreibt um 20.22 Uhr: «Sollen wir die Gruppe nicht aktiv halten, falls in naher Zukunft wieder etwas stattfinden sollte?»
Nils: «Dann kann man eine neue Gruppe schaffen. Diese besteht zu 80 % aus meinem Bekanntenkreis. War ein Experiment. Das nächste darf ein anderer machen.»
Nicola, 20.31 Uhr, findet die Whats-app-Kommunikation «super», er ist «gerne nächstes Mal wieder dabei».
Werden so Kriege ausgelöst?
Ich frage mich, werden so die Kriege ausgelöst, funktionierte die Kommunikation im «Arabischen Frühling» in Tunesien, Ägypten nicht auch so?
Am Montag lese ich in den Zeitungen: Die 60, teilweise vermummten, linken Autonomen, angekommen aus Zürich, seien im Bahnhof Rapperswil vom Polizei-Grossaufgebot (auch ein Heli war da) «eingekesselt» und wieder zur Abreise gezwungen worden.
Andererseits sollen die 60 Rechten von der PNOS im «Löwen» Kaltbrunn ihre Versammlung friedlich abgehalten haben. Ihr Präsident trat auf dem Parkplatz vor die Presse und redete gemütlich mit den Journalisten.
Ein Einsatztag für einen Polizisten kostet rund 1000 Franken. «Hundertschaften» von Polizisten müssen vom ganzen Kanton zusammengezogen werden. Mit geschätzten über 100 bis 150 Polizisten, Hunden, Heli und Vollmontur dürfte der aufregende Spass die Bürger etwa 150 000 Franken kosten.