Keine Strafe für Neonazi-Konzert

Basler Zeitung: Hitlergruss unter Gesinnungsgenossen gilt nicht als Verbreitung von Rassismus

St. Gallen. Nach dem Neonazi-Konzert vom 15. Oktober in Unterwasser (SG) mit 5000 Besuchern führt die St. Galler Staatsanwaltschaft keine Strafuntersuchung durch. Es fänden sich «keine Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten der unbekannten Täterschaft».

Dies teilte die Staatsanwaltschaft gestern mit. In der Strafanzeige der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA), den eingereichten Akten und den Wahrnehmungsberichten der Kantonspolizei gebe es keine Hinweise auf ein strafbares Verhalten.

«Auch aus dem in den Medien kursierenden Bildmaterial ergibt sich kein hinreichender Tatverdacht, dass die Rassismus-Strafnorm verletzt wurde», heisst es im Communiqué. Der Entscheid der Staatsanwaltschaft, keine Strafuntersuchung zu eröffnen, ist noch nicht rechtskräftig. Der teilweise auf Bildern zu sehende Hitlergruss und die zu hörenden «Sieg Heil»-Rufe fielen nicht unter die Rassismus-Strafnorm, schreibt die Staatsanwaltschaft. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung gelte die Verwendung des Hitlergrusses unter Gesinnungsgenossen nicht als Verbreitung von Rassismus.

Die Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus will die Verfügung der St. Galler Staatsanwaltschaft «in Ruhe prüfen», wie Geschäftsführer Dominic Pugatsch auf Anfrage erklärte. Mit ihrer Strafanzeige habe die Stiftung GRA eine Abklärung möglicher Verstösse gegen die Rassismus-Strafnorm erreichen wollen.

Gemeinde bewilligte Konzert

Es sei aber auch darum gegangen, eine Diskussion über das Neonazi-­Treffen in Gang zu bringen, die Öffentlichkeit und die Behörden zu sensibilisieren, sagte Pugatsch der Nachrichtenagentur

SDA

. «Die Schweiz darf nicht zum Paradies für extremistische Konzerte werden.» Ein Treffen wie in Unterwasser dürfe sich nicht wiederholen. Neonazi-Konzerte sollten gar nicht mehr bewilligt werden. Die Stiftung GRA erwarte, dass sich der Nachrichtendienst des Bundes und die Polizei in Zukunft bei ähnlichen Veranstaltungen aktiver um die Beweissicherung kümmerten.

Die St. Galler SP zeigte sich in einer Reaktion «empört und enttäuscht» über den Entscheid der Staatsanwaltschaft, die Verantwortlichen des «grössten Neonazi-Konzerts Europas» unbehelligt zu lassen. Die Partei fordert ein Verbot von Hakenkreuz und Hitlergruss. SP-Nationalrätin Barbara Gysi will im Parlament einen Vorstoss zur Ver­schärfung der Rassismus-Strafnorm einreichen.

Der Neonazi-Anlass im Toggenburg mit 5000 Besuchern, von denen viele mit Bussen aus Deutschland anreisten, überraschte Behörden und Polizei total. Die Polizei erfuhr den Veranstaltungsort erst kurzfristig und beobachtete das Konzert, das in einer Tennishalle stattfand. Dort spielten die Schweizer Band Amok und die deutschen Gruppen Stahlgewitter, Confident of Victory, Excess und Frontalkraft. Der Anlass verlief ruhig. Die Gemeinde hatte das Konzert bewilligt. Die Organisatoren hatten angegeben, es sei ein Konzert von Schweizer Nachwuchsbands.

Polizei in der Kritik

Eine Woche nach dem Konzert von Unterwasser trat ein Sänger der rechtsextremen deutschen Band Flak an einer Feier der Partei National orientierter Schweizer (PNOS) in Kaltbrunn (SG) auf. Die St. Galler Kantonspolizei liess den Auftritt zu, obwohl gegen den Sänger eine Einreisesperre bestand.

Die Polizei geriet in die Kritik. SP und Grüne verlangten von der St. Galler Regierung eine Erklärung, weshalb die Polizei in Unterwasser darauf verzichtet habe, die Konzerthalle zu betreten, obwohl davon auszugehen war, dass es zu strafbaren Handlung kommen könnte. Die SP forderte von der Polizei eine klarere Haltung im Kampf gegen Rechtsradikale.

SDA