20 minuten online: Dieudonné heisst der Erfinder des «umgekehrten Hitlergrusses». Der französische Comedian und bekennende Antisemit erfreut sich einer wachsenden Anhängerschaft.
In seiner französischen Heimat ist der muslimische Komiker Dieudonné ein Superstar. Kaum eine Zeitschrift, die nicht über ihn berichtet hat, kaum eine TV- oder Radiosendung, in der er nicht zu Gast war. Doch nicht nur sein komödiantisches Talent hat dem ursprünglich aus Kamerun stammenden Humoristen diese zweifelhafte Berühmtheit beschert. Dieudonné bedient mit seinem verqueren Humor ein Ressentiment, das er mit Millionen Menschen teilt. Anders als die meisten bekennt er sich freimütig dazu: Er ist Antisemit.
Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen strömen seine mehrheitlich muslimischen Fans zu Tausenden in seine ausverkauften Shows, die grösstenteils aus kruden Judenwitzen bestehen. Holocaust-Gedenkveranstaltungen verunglimpft er darin als «Gedenk-Pornografie» und mit seinem Song «Shoananas» (Shoah, Hebräisch für Holocaust) verharmlost er den Massenmord an den europäischen Juden. Seine gehässigen und diffamierenden Geschmacklosigkeiten werden von einem grölenden franko-arabischen Publikum gleichermassen bejubelt wie seinerzeit Hitlers antisemitische Tiraden auf einem Parteitag der NSDAP.
Quenelle ist eigentlich ein Knödel
Dieudonné ist auch der Erfinder des sogenannten Quenelle-Grusses, einer mittlerweile als «umgekehrter Hitlergruss» bekannten antisemitischen Geste: Ein Arm wird zum Boden gestreckt, die andere Hand quer über den Oberkörper, entweder mit abgespreiztem Daumen, zwei Fingern oder allen fünf, flach an die Schulter gelegt. Ursprünglich ist Quenelle die Bezeichnung einer Spezialität aus Lyon, ein länglicher Knödel aus Fleisch- oder Fischpüree.
Bekannt wurde Dieudonnés Quenelle im Jahr 2009, als er an der Spitze der Liste der Antizionisten erfolglos in den Europa-Wahlkampf zog. Seite an Seite mit dem Schweizer Alain Soral, bekennender Antisemit, Ex-Redenschreiber von Le Pen und Hausideologe des Komikers. Gegenüber den Medien schwärmte Dieudonné davon, «meinen Knödel tief in den Arsch des Zionismus zu schieben».
Dieudonnés Geste hat sich verselbständigt
Weltweit erfreut sich der camouflierte Hitlergruss wachsender Beliebtheit. In einem Youtube-Video sind unter anderem zwei französische Soldaten zu sehen, die mit dem Quenelle-Gruss ihren Unmut bekunden, eine Synagoge bewachen zu müssen, Jugendliche salutieren vor dem ehemaligen KZ Auschwitz oder neben einem orthodoxen Juden an der Klagemauer in Jerusalem. Alain Soral grüsst Hitler im Mahnmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin. Die Quenelle hat sich längst verselbständigt. Es gibt Quenelle-Tumblr, -Twitter und -Fotowettbewerbe. Antisemitismus ist wieder in, zumal man für die Quenelle im Rahmen der geltenden Antirassismusgesetze nicht belangt werden kann.
Neben Bodybuildern, Hochzeitspaaren, Bürokollegen, Senioren und Polizisten bedienen sich auch bekannte Sportler wie der Judo-Weltmeister Teddy Riner, der französischstämmige NBA-Basketball-Star Tony Parker oder die französischen Fussballer Mamadou Sakho und Samir Nasri der rassistischen Geste. Auch Nicolas Anelka feierte unlängst sein Tor gegen West Ham United mit der Quenelle. Gegen den Vorwurf des Rassismus rechtfertigte er sich mit den Worten: «Ich wollte meinen Freund Dieudonné ehren.» Als Farbiger hätte er für sein erstes England-Tor seit mehr als zwei Jahren auch Nelson Mandela ehren können. Stattdessen bot er durch seine kalkulierte Provokation einem rassistischen Antisemiten ein weltweites Forum.
Mit der Quenelle Geld verdienen
Dieudonné und seine Anhänger, die sogenannte Dieudosphère, sind begeistert vom Erfolg der Quenelle. In einem Video vom August 2013 zeigt sich der zynische Spassvogel stolz mit dem Hamas-Schal – einem «persönlichen Geschenk von Hamas-Führer Khaled Meshal» – und sagt: «Ich hätte nie gedacht, dass die Geste ein solcher Erfolg werden würde, die Quenelle gehört nicht mehr mir, sie gehört der Revolution».
Aber so recht will man Dieudonné sein vermeintlich idealistisches Motto «Wir gegen die Elite» nicht abkaufen. Kurz vor Weihnachten bedauerte er bei einem Auftritt, dass der Radiojournalist Patrick Cohen von France Inter «zu spät für Auschwitz geboren wurde». Die Eintragung der Quenelle beim französischen Patentamt, als Marke für Kaffeetassen, T-Shirts, Baseballcaps und dergleichen, ist längst beantragt.