Basler Zeitung: Die Regierung setzt sich gegen die Anwälte von Dieudonné M’Bala durch
Ein Auftritt des wegen antisemitischer Äusserungen höchst umstrittenen französischen Komikers Dieudonné ist in letzter Minute doch noch verboten worden. Frankreichs oberstes Verwaltungsgericht gab gestern Abend den Behörden recht, die einen Auftritt Dieudonnés in der westfranzösischen Stadt Nantes untersagt hatten. Zuvor hatte das Verwaltungsgericht von Nantes einem Rekurs des Komikers recht gegeben und das gegen ihn in dieser westfranzösischen Stadt verhängte Auftrittsverbot für unzulässig erklärt.
Zum antisemitischen Charakter der One-Man-Show mussten sie sich nicht äussern. Doch blieb am Nachmittag unklar, ob die für den Abend vorgesehene Aufführung noch über die Bühne gehen konnte. Schon vorher hatten Anwälte angekündigt, sie würden alle Rechtsmittel ausschöpfen, um sich im Namen der «künstlerischen Meinungsfreiheit» gegen Auftrittsverbote zu wehren.
Nach Nantes müssen auch Gerichte in Orléans und Tours über die Rechtmässigkeit der behördlichen Bühnenverbote für Dieudonné urteilen.
In der Schweiz hatte bereits 2010 das Bundesgericht ein solches «präventives» Verbot in Genf für nicht statthaft erklärt. Auf dieser Rechtsgrundlage sind Anfang Februar und Anfang März in Nyon am Genfersee zehn Aufführungen angesetzt. Der Gemeindepräsident von Nyon erklärte sich ausserstande, juristisch etwas dagegen unternehmen zu können.
Kostenlose Publicity
Das gestrige Verdikt des Gerichts in Nantes bedeutete zunächst eine peinliche Desavouierung der politischen Behörden durch die Justiz. Besonders blamiert war Innenminister Manuel Valls, der in einem Rundschreiben die Präfekten aufgefordert hatte, die Spektakel von Dieudonné wegen Störung der öffentlichen Ordnung zu untersagen. Staatspräsident François Hollande hatte sich explizit hinter seinen Minister gestellt. Doch auch wenn Paris sich schlussendlich durchsetzte, in gewisser Hinsicht hatte der umstrittene französische «Humorist» bereits vor den Gerichtsentscheiden einen Punktesieg gegen die Regierung erzielt: In Frankreich ist gegenwärtig überall nur noch von ihm die Rede. Und statt wegen seiner gehässigen Attacken und zumindest sehr geschmacklosen Witze zum Thema Holocaust isoliert und geächtet dazustehen, bekommt Dieudonné dank Internet ein Millionenpublikum.
Vor allem in den Vorstadtsiedlungen solidarisieren sich viele Jugendliche mit dem Komiker, der sich in der Vergangenheit als Antikolonialist profiliert hatte, bevor er sich zu einem rechtsextremen Antisemiten mauserte. Obwohl er auch über andere mit einem zynischen Humor herfällt, sind die Juden – und insbesondere einige seiner jüdischen Kollegen wie sein früherer Duopartner Elie Semoun – seine bevorzugten Opfer. Mit Humor hat es kaum noch etwas zu tun, wenn er über den Radiojournalisten Patrick Cohen sagt: «Wenn ich Patrick Cohen reden höre, sage ich mir, verstehst du, die Gaskammern … schade!»
Der frühere Justizminister Pierre Joxe bedauerte am Fernsehsender LCI, dass es der Justiz nicht klar gelungen sei, den bereits neunmal verurteilten Provokateur in die Schranken zu weisen.
Dieselben Gespenster
Joxe, der lange den Vorsitz des obersten Verwaltungsgerichts führte, meint zudem, in dieser Debatte über Dieudonné werde klar, dass Frankreich noch mit denselben Gespenstern des Rassismus und Antisemitismus kämpfe wie vor hundert Jahren in der Dreyfus-Affäre.
Die Pariser Regierung verfügt indes noch über andere Mittel gegen Dieudonné: Eine gerichtliche Untersuchung ist im Gange, weil er auf betrügerische Weise seine Insolvenz organisiert und sein Vermögen heimlich nach Kamerun transferiert haben soll. Darauf stehen im Höchstfall drei Jahre Haft.