Tages-Anzeiger: In Solothurn sind am letzten Samstag Rechtsextreme aufmarschiert. Sie gehören zu einem Netzwerk von Neonazis, das in Deutschland verboten ist.
Der Spuk dauert meist nur wenige Minuten, die Polizei kommt fast immer zu spät. Die Aufmärsche der «Unsterblichen» verlaufen stets nach dem gleichen Muster: Schwarz bekleidet, weiss maskiert und mit Fackeln in der Hand ziehen sie durch die Strassen und verbreiten rassistisches Gedankengut. Einige Tage später taucht im Internet dann ein Propaganda-Video der Aktion auf.
So auch dieses Mal. Am vergangenen Samstag zogen rund 80 Rechtsextreme durch Solothurn. Die Polizei war zwar vor Ort, wurde von der Demonstration jedoch überrascht und konnte über das Motiv nur rätseln. Jetzt ist klar: Beim Aufmarsch handelt es sich um Anhänger der «Unsterblichen». Seit gestern kursiert in sozialen Netzwerken im Internet ein Video des Aufmarschs. Die gespenstischen Szenen zeigen, wie mit weissen Masken verhüllte Personen durch menschenleere Gassen marschieren. Auf einem schwarzen Transparent an der Spitze des Umzuges prangt ihre Botschaft in grossen, weissen Buchstaben: «Asylanten raus!»Das in Deutschland verbotene Neonazi-Netzwerk trat erstmals 2006 bei einer Kundgebung in Deutschland in Erscheinung. Ihre mystisch verbrämten Aufmärsche sorgten bald für Aufsehen. Dank den medienwirksamen Auftritten gewann die Gruppierung schnell Anhänger – auch in der Schweiz. Vor zwei Jahren zogen 50 von ihnen durch das zürcherische Hombrechtikon, vor einem Jahr sagten Exponenten der Bewegung einen in Bern geplanten Fackelmarsch kurz vor Beginn ab. Und: Um ihre Propaganda zu verbreiten, nutzten die Hintermänner Serverstrukturen in der Schweiz.
Kantonspolizei ermittelt
Die deutschen Sicherheitsbehörden haben die «Unsterblichen» im Sommer 2012 verboten. In Hamburg und Brandenburg hatten Ermittler in Wohnungen Waffen und Sprengstoff gefunden. Seither hat die Zahl der Aufmärsche stark abgenommen. Laut dem Brandenburgischen Verfassungsschutz sei es gut möglich, dass die «Unsterblichen» vermehrt Nachahmer in der Schweiz fänden.
Die Solothurner Kantonspolizei hat Ermittlungen aufgenommen. «Wir sind an den Organisatoren dieser unbewilligten Demo interessiert», sagt Sprecherin Melanie Schmid. Noch tappen die Beamten allerdings im Dunkeln, da man keine Personen habe kontrollieren können. Die Polizei beschränkte sich auf eine «beobachtende Rolle» – laut Schmid, um eine Eskalation zu verhindern. Das war auch der Grund, warum die Beamten das im Kanton Solothurn geltende Vermummungsverbot nicht durchsetzten.Die Polizei prüft nun auch, ob ein Verstoss gegen die Rassismusstrafnorm vorliegt. Wie radikal das Gedankengut der «Unsterblichen» ist, zeigt ein Satz auf einem Flugblatt, das verteilt wurde und dem TA vorliegt: «Mit unseren weissen Masken symbolisieren wir, wie wir die Schweiz auch in Zukunft haben wollen. Von weissen Menschen mit eidgenössischen Wurzeln bevölkert.» Laut eigenen Angaben wollen sie die Demokratie durch einen völkischen Führerstaat ersetzen. Am Schluss des Videos kündigen sie den nächsten Aufmarsch an: «Wir kommen wieder, irgendwann, irgendwo.»
Video: Kundgebung gegen die Zuwanderung www.neonazis.tagesanzeiger.ch