Neue Zürcher Zeitung: Die Ermittler können Teile des beschlagnahmten Materials um das «Werwolf-Kommando» nicht entschlüsseln
Einer schweizerisch-deutschen Neonazi-Gruppierung werden Attentatspläne vorgeworfen. Das Verschlüsselungsprogramm des «Werwolf-Kommandos» stellt die Ermittler jedoch vor Probleme.
fbi. · Am 17. Juli des vergangenen Jahres durchsuchten, wie damals berichtet, in einer international koordinierten Aktion Fahnder in Deutschland, den Niederlanden und der Schweiz die Wohnungen und Geschäftsräume von vier Personen sowie die Gefängniszellen von zwei weiteren Verdächtigen. Die Ermittler warfen ihnen vor, ein rechtsextremistisches «Werwolf-Kommando» gegründet zu haben. Sie sollen laut der in der Schweiz federführenden Zürcher Staatsanwaltschaft ein Attentat auf eine israelische Botschaft geplant haben. Zürich unterstützt die Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe bei den Ermittlungen.
Bei den Razzien wurden Datenträger – neben PC und Daten unter anderem eine Playstation-Speicherkarte – sowie schriftliche Dokumente sichergestellt. Als Knacknuss erweist sich für die Ermittler das Lesen der Datenträger. «Sie sind sehr gut verschlüsselt», sagt der zuständige Staatsanwalt Bernhard Hecht. Ein Teil der Dokumente konnte deshalb bisher nicht ausgewertet werden. Die Staatsanwaltschaft wartet nun zunächst die Stellungnahme der deutschen Seite ab, wie Hecht sagt. «Erst dann wenden wir die brachialen und entsprechend aufwendigeren Methoden an.»
Ein Teil des Beweismaterials ist inzwischen nach Deutschland geliefert worden. Dazu gehören laut Hecht Abschriften der polizeilichen Einvernahmen und Ermittlungsresultate. Zu der Frage, ob Hinweise auf konkrete Vorbereitungen für Anschläge vorliegen, halten sich die Behörden bedeckt. Bisher kam es jedoch zu keinen Festnahmen. Zumindest im Fall eines der vier beschuldigten Schweizer haben sich die Verdachtsmomente nicht erhärtet. Ein entsprechender Bericht wurde von Zürich nach Karlsruhe übermittelt.
Nachweislich Verbindungen zur militanten rechtsextremen Szene hatte der 26-jährige Schweizer N. Der junge Mann, der sich unter anderem ein Hitler-Porträt und ein Hakenkreuz tätowieren liess, gilt als mutmasslicher Drahtzieher des «Werwolf-Kommandos». Seit Mai 2012 sitzt er in einem Gefängnis im Kanton Zürich. Er hatte im Zürcher Niederdorf auf einen Gesinnungsgenossen geschossen und diesen schwer verletzt. Es ging dabei um eine Abrechnung im Rechtsextremen-Milieu.
Für diese Tat muss sich N. Anfang März vor dem Bezirksgericht Zürich verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Neonazi versuchte vorsätzliche Tötung vor. Laut Anklageschrift war es an jenem 5. Mai 2012 vor einer Bar an der Niederdorfstrasse zu einem Streit zwischen den beiden Männern gekommen. N. soll, «dem Geschädigten von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehend», seine durchgeladene Waffe aus dem Hosenbund gezogen und auf den Kontrahenten gefeuert haben. «Aus einer Distanz von maximal 60 bis 80 cm» schoss er diesem laut Anklage in den Oberkörper. Das Opfer erlitt einen Lungendurchschuss. Das Projektil drang dabei bis hinter die Achselhöhle ein und blieb schliesslich unter dem Schulterblatt stecken. Der Beschuldigte habe um die möglicherweise tödlichen Folgen für das Opfer gewusst und diese zumindest in Kauf genommen, konstatiert die Staatsanwaltschaft.
Am Abend des nächsten Tages bestieg N. in Zürich den Zug nach Hamburg, wo er zwei Tage später mit der Tatwaffe, einer Pistole der Marke Astra, im Gepäck verhaftet wurde. 40 Beamte hatten N. mit Maschinenpistolen im Anschlag am Bahnhof Hamburg-Harburg erwartet. Nach seiner Auslieferung in die Schweiz gestand er in der Untersuchungshaft, die Schüsse im Niederdorf abgegeben zu haben. Der aus Grenchen stammende N. verbrachte seine Kindheit vorwiegend in Pflegefamilien und Heimen und war schon mit neun Jahren erstmals mit Rechtsextremen in Kontakt gekommen. Bereits 2010 wurde er für mehr als 40 Straftaten verurteilt, unter anderem wegen Körperverletzung, Raufhandels und Rassendiskriminierung.