Ein SP-Parlamentarier, der im Namen des Humanismus zur Wahl eines SVP-Politikers aufruft. Ein Mitglied der Stadtregierung, das auf Befehl seiner Kollegen seine Aussagen auf Facebook löschen muss. Eine Demonstration gegen ein Islam-Museum, die aus Angst vor Ausschreitungen abgesagt wird. Die Wogen gehen hoch vor den Kommunalwahlen von Sonntag in La Chaux-de-Fonds. Und einmal mehr steht im Zentrum der Kontroverse der SVP-Stadtrat Jean-Charles Legrix.
«Gefährlicher Manipulator»
Vor drei Jahren wurden dem umstrittenen Politiker von dessen Stadtratskollegen die Dossiers entzogen, nachdem ein Audit zum Schluss gekommen war, in Legrix‘ Departement herrsche ein Klima der Angst. Der SVP-Politiker legte Rekurs gegen seine Entmachtung ein und bekam vor Gericht recht. Am Sonntag stellt sich Legrix zur Wiederwahl. Wenige Tage vor den Kommunalwahlen ruft nun aber der SP-Politiker Daniel Musy auf Social Media zum Sturm gegen den SVP-Stadtrat auf, zum Aufbegehren der «humanistischen Kräfte» gegen einen «gefährlichen Manipulator». Um die Wiederwahl Legrix‘ zu verhindern, tritt Musy als Präsident des Stadtparlaments zurück und rät den linken Wählern, ihre Stimme dem zweiten SVP-Mann, Marc Arlettaz, zu geben. Warum aber musste Musy zurücktreten, um seinen Coup zu lancieren? Und warum ruft er nicht einfach zum Boykott der SVP auf? Auf Anfrage sagt der SP-Mann, er habe bei seiner Wahl zum «ersten Bürger der Stadt» das Versprechen abgegeben, sich auf seinem Blog nicht mehr zu politischen Themen zu äussern. Mit dem Rücktritt habe er seine Meinungsfreiheit wiedererlangt. Und zur Wahl Arlettaz‘ rufe er auf, weil die SVP aufgrund der Wahlarithmetik ohnehin einen Sitz machen werde. «Die einzige Möglichkeit, Legrix zu verhindern, besteht darin, einen anderen SVP-Mann zu wählen», sagt Musy.
Islamophobe Kommentare
Hintergrund der Affäre Legrix zum Zweiten bildet die Debatte um das neue Museum der islamischen Zivilisationen in La Chaux-de-Fonds. Auf Facebook kündigte der SVP-Stadtrat seine Teilnahme an einer inzwischen abgesagten Kundgebung gegen das Projekt an. Er warnte davor, dass im Umkreis des Museums ein neues Molenbeek entstehen werde. Legrix nannte das Brüsseler Viertel, aus dem mehrere der Pariser Terroristen stammten, nicht beim Namen. Stattdessen sprach er von «Tchaulenbeek» – eine Wortschöpfung aus La Tchaux und Molenbeek. La Tchaux ist der Übernahme von La Chaux-de-Fonds.
Legrix‘ Eintrag löste eine Flut von islamophoben Einträgen aus – und liess Musy zur Tat schreiten. Bei einem Teil der Kommentatoren handelt es sich um bekennende Rechtsextreme. Inzwischen musste Legrix seinen Eintrag und die Kommentare auf Antrag der Stadtratskollegen löschen. So viel steht fest: Sollte er am Sonntag im Amt bestätigt werden, steht La Tchaux eine weitere turbulente Legislatur bevor.